Allein, allein: Wir leben in einem riesigen Loch im All

Das Universum ähnelt in seiner Grobstruktur einem Schweizer Käse: Die Käsemasse wird von Filamenten gebildet, die ihrerseits aus Superhaufen, Galaxienhaufen und einzelnen Galaxien bestehen. Dazwischen ist – fast – nichts, bis auf die ein oder andere kleinere Galaxie. Lange nahm man an (und viele Astronomen sind noch immer davon überzeugt), dass die Milchstraße, die Galaxis, zu der unser Sonnensystem gehört, als Teil der lokalen Gruppe zum Virgo-Superhaufen gehört.

Doch das könnte ein Irrtum sein, wie Forscher der University of Wisconsin-Madison in einem Paper schon 2013 gezeigt haben – zu dem sie nun neuen Stoff liefern. Ihrer – durch Daten gestützten – Meinung nach befindet sich die Milchstraße in einem der Löcher des Käses, allein auf weiter Flur. Das Loch, in dem wir leben (ganz unbescheiden haben es die drei Astronomen nach den Anfangsbuchstaben ihrer Namen “KBC-Void” genannt), wäre demnach riesig: mit einem Durchmesser von einer Milliarde Lichtjahren wäre es sieben Mal so groß wie die Durchschnitts-Leerstelle.

Große Nachteile hat das nicht – bei den typischen Entfernungen im All kann die Menschheit froh sein, wenn sie es im Lauf ihrer Existenz mal zu einem Nachbarstern schafft. Für die Astronomen hat es aber einen kleinen Vorteil: Es ist einfacher, von innen heraus die Expansionsrate des Kosmos zu bestimmen.

Würden wir nämlich in einem dichten Haufen von Galaxien leben, die sich gegenseitig anziehen, würden diese aufgrund ihrer Anziehungskraft weniger schnell auseinanderstreben. Scheinbar würde sich das Universum – jedenfalls der für uns sichtbare Teil in der Nähe – langsamer ausdehnen als in Wirklichkeit. Als Bewohner des kosmischen Hinterhofs haben wir zumindest dieses Problem nicht.

Die Position der Erde im Universum (ohne Berücksichtigung des KBC-Voids) (Bild: Duff06, Lizenz CC-BY-SA3.0)

4 Comments

  • Das ist ja mal eine Neuigkeit. Es mag für die Bestimmung des Ausdehnungsfaktors des Universums von Bedeutung sein. Für den interessierten “Normalbürger” wäre es aber schöner/aufregender, wenn man Galaxien am Nachthimmel sehen könnte. Der verwaschene Fleck des Andromeda-Nebels, den man beim heutigen Licht-Smog doch sowieso nicht mehr mit bloßem Auge sehen kann, ist da doch etwas sehr dürftig.

    Apropos Andromeda… Da selbige Galaxie irgendwann mit unserer Galaxie zusammen stößt, müsste sie dann ja auch nicht zum Virgo-Superhaufen gehören. Trifft das auf die ganze lokale Gruppe zu?

    Übrigens wäre es schön, eine größere Abbildung der obigen Darstellung zu bekommen. Man kann ja kaum Einzelheiten erkennen.

    Vielen Dank auch nochmal für die bisher drei Bände von Ihnen. Sie haben mich sehr gut unterhalten.

    • Hallo, zu Andromeda macht das Paper keine Aussage – aber ob es (wenn die Forscher recht haben) zu einem Zusammenstoß kommt, ist dann fraglich. Danke für das Kompliment! Auf das Bild unten kann man klicken 🙂

  • Ich dachte, bez. der gegenseitigen Anziehung von Andromeda und unserer Galaxie gab es keine Zweifel? Zumindest wurde es in entsprechenden Beiträgen in Büchern und Filmdokumentationen immer als sicher dargestellt. Demnach wäre aber dann etwas in Farge gestellt, was man (dachte ich immer) zweifelsfrei feststellen/messen kann…

    Ich weiß, dass man drauf klicken kann und es dann vergrößert dargestellt ist. Aber die Größe reicht trotzdem nicht aus, um Einzelheiten erkennen zu können… zumindest bei einer Bildschirmauflösung.

    • Hier ist die größtmögliche Version der Grafik:
      https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/d/df/Position_der_Erde_im_Universum_4x2.png

      Dass Milchstraße und Andromeda gemeinsam Teil des Virgo-Superhaufens sind, ist die derzeit vorherrschende Meinung. Das Problem bei allen Entfernungsmessungen ist, dass wir da nicht triangulieren können. Deshalb sind andere Anordnungen durchaus möglich. Die Idee des KBC-Void löst ein Problem, das bei den Entfernungsmessungen oft auftritt (verschiedene Techniken – verschiedene Entfernungen).

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BrandonQMorris
  • BrandonQMorris
  • Brandon Q. Morris, 54, ist Physiker und beschäftigt sich beruflich und privat schon lange mit den spannenden Phänomenen des Alls. So ist er für den redaktionellen Teil eines Weltraum-Magazins verantwortlich und hat mehrere populärwissenschaftliche Bücher über Weltraum-Themen geschrieben. Er wäre gern Astronaut geworden, musste aber aus verschiedenen Gründen auf der Erde bleiben. Ihn fasziniert besonders das „was wäre, wenn“. Sein Ehrgeiz ist es deshalb, spannende Science-Fiction-Geschichten zu erzählen, die genau so passieren könnten – und vielleicht auch irgendwann Realität werden.