Ein primitiver Besucher aus weiter Ferne

C/2017 K2 ist ein kosmischer Einzelgänger. Der Komet, der sich gerade aus der das Sonnensystem umgebenden Oortschen Wolke heraus auf Jungfernflug in die Nähe der Sonne begibt, erreicht uns in einer Ebene (siehe Bild), die fast senkrecht zur Ekliptik liegt, der Ebene, in der sich die Planeten um die Sonne bewegen. Das ist auf dem Bild unten gut erkennbar. Das Objekt mit der “schrägen” Bahn ist übrigens Pluto, der auch deshalb nicht so richtig in die Gruppe der Planeten passte, aber das nur nebenbei.

Der Komet ist aber nicht nur wegen seiner Bahn interessant: Die Forscher fragen sich, warum er so weit von der Sonne entfernt bereits Aktivität zeigt, also eine Gashülle ausgebildet hat. Nur dadurch konnte der Besucher überhaupt vom Weltraumteleskop Hubble gefunden werden. In einer Publikation gehen Forscher jetzt dieser Frage nach. Bei der aktuellen Entfernung des Kometen von etwa 1,5 Milliarden Kilometern rechnen sie mit Temperaturen von 60 bis 70 Kelvin (60 bis 70 Grad über dem absoluten Nullpunkt).

Das ist viel zu kalt, als dass – wie bei anderen Kometen üblich – Wasser-Eis sublimieren (also direkt gasförmig werden) könnte. Trotzdem breitet sich rund um den etwa 15 Kilometer großen Kern eine 200.000 Kilometer durchmessende, symmetrische Wolke aus, die Koma, die ständig mit frischem Material versorgt wird. Da sich kein Schweif ausbildet, scheint der Strahlungsdruck der Sonne wirkungslos zu sein. Die Koma muss also aus relativ schweren Teilchen bestehen, die der hier noch schwache Sonnenwind nicht bewegen kann.

Die Forscher sehen dafür nur eine einzige Erklärung: Die Sublimation von gefrorenem CO2 (Kohlendioxid), CO (Kohlenmonoxid), O2 (Sauerstoff) und N2 (Stickstoff) muss an der Ausbildung der Koma Schuld sein. Hätte sich C/2017 K2 bereits irgendwann der Sonne genähert, wären diese Stoffe längst nicht mehr vorhanden. Es muss sich bei dem Himmelskörper also tatsächlich um einen jungfräulichen Besucher aus der eisigen Kälte der Oortschen Wolke handeln, den bisher ursprünglichsten Kometen, den Astronomen im Sonnensystem gefunden haben.

Seinen sonnennächsten Punkt wird C/2017 K2 am 21. Dezember 2022 jenseits der Mars-Bahn erreichen. Danach werden wir ihn nie wiedersehen, denn seine hyperbolische Bahn führt ihn in die Tiefen des Raums, wo er irgendwann vielleicht ein anderes Sonnensystem erreicht. Es scheint sich jedoch nicht um einen extrasolaren Besucher zu handeln, vielmehr wurde er wohl durch gravitative Bahnstörungen aus der Oortschen Wolke auf seine Reise Richtung Sonne gezwungen.

Der Orbit von Komet C/2017 K2 (Bild: NASA, ESA and A. Field/STScI)
Das Hubble-Foto des Kometen vom Mai 2017 (Bild: NASA, ESA, and D. Jewitt (UCLA))

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BrandonQMorris
  • BrandonQMorris
  • Brandon Q. Morris, 54, ist Physiker und beschäftigt sich beruflich und privat schon lange mit den spannenden Phänomenen des Alls. So ist er für den redaktionellen Teil eines Weltraum-Magazins verantwortlich und hat mehrere populärwissenschaftliche Bücher über Weltraum-Themen geschrieben. Er wäre gern Astronaut geworden, musste aber aus verschiedenen Gründen auf der Erde bleiben. Ihn fasziniert besonders das „was wäre, wenn“. Sein Ehrgeiz ist es deshalb, spannende Science-Fiction-Geschichten zu erzählen, die genau so passieren könnten – und vielleicht auch irgendwann Realität werden.