Meere auf Titan: Blasen statt Wellen

Der Saturnmond Titan ist – neben der Erde – der bislang einzig bekannte Himmelskörper in unserem Sonnensystem, auf dem Meere und Seen nachgewiesen wurden. Bei Oberflächentemperaturen von minus 160 Grad im Hochsommer bestehen diese natürlich nicht aus Wasser, sondern aus Stoffen, die bei diesem Wetter flüssig sind. Das sind auf Titan vor allem Methan (hat auch etwa 5 % Anteil an der Atmosphäre) und Ethan, das sich durch photochemische Reaktionen bildet. Stickstoff, der Hauptbestandteil der Atmosphäre, sollte ebenso darin gelöst sein wie auf der Erde Sauerstoff in Wasser.

Wellen zeigen sich auf den Titanseen so gut wie nicht – das heißt, sie bleiben trotz der niedrigen Schwerkraft mit maximal drei Zentimetern Höhe sehr klein (was an der vergleichsweise hohen Zähigkeit flüssigen Methans liegt). Doch ab und an zeigen sich auf Radarbilden helle Flecken, die kommen und gehen und deren exakte Natur man noch nicht kennt (die bisher einzige Titan-Sonde Huygens ist in der Titan-Wüste gelandet). Die Forscher vermuten allerdings, dass es sich um vom Meeresboden aufsteigende Blasen handeln könnte.

In einem Paper in Nature Astronomy zeigen Forscher nun, dass diese Vermutung wohl Hand und Fuß hat – und woraus diese Blasen bestehen müssten. Das Problem besteht dabei darin, dass man relativ wenig darüber weiß, wie es in den Tiefen dieser außerirdischen Meere zugehen mag. Denn Methan unterscheidet sich deutlich von Wasser, das mit seinem Dichte-Maximum bei vier Grad eine Besonderheit besitzt. Eis ist leichter als Wasser. Auf der Erde frieren Gewässer deshalb von oben her zu, und selbst in den tiefsten Tiefen wird es nicht kälter. Auf Titan ist das vermutlich anders; die Temperatur sinkt deshalb mit der Tiefe. Bei einer Tiefe von 100 bis 200 Metern, dem damit verbundenen deutlich höheren Druck und einem Temperaturunterschied von 10 Grad zur Oberfläche verändern sich die Eigenschaften einer Mischung von Methan, Ethan und Stickstoff derart, dass in am Meeresboden der Anteil von Stickstoff wohl deutlich höher liegt.

Die Forscher untersuchten deshalb im Labor, wie sich eine solche Mischung unter den Titan-Bedingungen verhält. Demnach müsste es eine stickstoffreiche Ethan-Schicht am Boden geben und eine stickstoffarme Methan-Schicht näher zur Oberfläche. Wenn die Flüssigkeit nun durch Wind und Wetter durchgemischt wird, stört dies das Gleichgewicht. Die Folge ist, dass ein Teil des in der Ethan-Schicht enthaltenen Stickstoffs sich als Glasblase separiert und aufsteigt – was vom Cassini-Radar dann als heller Fleck auf dem Meer entdeckt wird. Die Blasen sollten allerdings nur bei Seen und Meeren mit mindestens 100 Metern Tiefe entstehen, was gut zu den Messungen der Sonde passt. Solange Sie bei Ihrem Segel-Törn über Ligeia Mare Blasen beobachten, hat Ihr Schiff also immer noch viele Hundert Handbreit Methan-Ethan-Stickstoff-Mischung unter dem Kiel.

Wie die Seen und Meere aussehen, zeigt ein Cassini-Überflug, aus dem die NASA ein Video gerendert hat:

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BrandonQMorris
  • BrandonQMorris
  • Brandon Q. Morris, 54, ist Physiker und beschäftigt sich beruflich und privat schon lange mit den spannenden Phänomenen des Alls. So ist er für den redaktionellen Teil eines Weltraum-Magazins verantwortlich und hat mehrere populärwissenschaftliche Bücher über Weltraum-Themen geschrieben. Er wäre gern Astronaut geworden, musste aber aus verschiedenen Gründen auf der Erde bleiben. Ihn fasziniert besonders das „was wäre, wenn“. Sein Ehrgeiz ist es deshalb, spannende Science-Fiction-Geschichten zu erzählen, die genau so passieren könnten – und vielleicht auch irgendwann Realität werden.