‘Oumuamua: unser erster extrasolarer Besucher ist da

Im interstellaren Raum, also zwischen den Sternen, wo keine Planeten kreisen, gibt es in einem Würfel mit einer Kantenlänge von 10.000 AE (Astronomischen Einheiten, Entfernung Erde – Sonne) im Mittel etwa 2,4 Fels- oder Eisbrocken. Diese landen dort, weil bei der Evolution eines Planetensystems das Risiko groß ist, dass durch Ortsveränderungen großer Planeten kleinere Objekte auch mal komplett aus dem System geworfen werden. Ein paar dieser Körper müssten auch ab und zu auf unser Sonnensystem treffen, entweder auf der Durchreise oder um hier Asyl zu beantragen.

Tatsächlich scheinen aber alle über 750.000 bisher entdeckten Asteroiden und Kometen Ortsansässige zu sein. Das finden Astronomen gar nicht gut, denn Objekte, die den langen Weg aus anderen Sternensystemen zu uns geschafft haben, sind auf lange Sicht der einzige Weg, die Verhältnisse rund um andere Sonnen genauer zu untersuchen. Denn bis wir dort einmal selbst hinfliegen können, wird noch viel Zeit vergehen.

Umso erfreuter war die Astronomie-Gemeinde, als man Mitte Oktober auf ein Objekt stieß, für das man sich sogar eine neue Klassifikation ausdenken musste. “1I/2017 U1” ist der erste interstellare Asteroid (1I). Inzwischen hat er sogar schon einen eigenen Namen, nämlich ‘Oumuamua – was so viel heißt wie “der erste Botschafter”. Der Name kommt aus der hawaiianischen Sprache, denn an der Universität Hawaii wurde der Asteroid auch entdeckt.

Die Bahn des Asteroiden 1I/2017 U1 (‘Oumuamua) (Bild: NASA / JPL-Caltech)

Was ihn so besonders macht, ist seine Bahn. Er kommt fast senkrecht gegen die Bahn aller Planeten in unser System geflogen (siehe Bild oben, inzwischen entfernt er sich wieder), wird von der Sonne abgelenkt und fliegt danach auf einer Hyperbel-Bahn in die Ferne. Obwohl man ihn auf Aufnahmen nur als Punkt erkennt und er den sonnennächsten Punkt schon unbemerkt erreicht hatte, haben die Forscher noch sehr viel über ihn herausgefunden. So zeigt seine Lichtkurve (die zeitliche Schwankung der Helligkeit), dass es sich um ein längliches, zigarrenförmiges Objekt handeln muss, dass sich alle 7,3 Stunden einmal um seine Achse dreht. Es ist wohl etwa 400 Meter lang und hat eine rötliche Farbe, was angesichts seiner langen Reise durchs All wohl nicht überrascht, hatte die kosmische Strahlung doch viel Zeit, die Oberfläche zu verwittern. Der Asteroid besteht wohl aus felsigen und metalischen Bestandteilen ohne viel Staub und Eis, sonst würde er mehr kometenhafte Eigenschaften zeigen.

Wo kommt ‘Oumuamua her? Zunächst sah es aus, als käme er aus Richtung des nur 25 Lichtjahre entfernten Sterns Wega im Sternbild Leier. Doch das passt nicht zur beobachteten Geschwindigkeit des Asteroiden und zur Eigenbewegung von Wega. Eine andere Quelle ist derzeit nicht zu identifizieren. Die Bewegungsparameter von ‘Oumuamua passen aber sehr gut zur lokalen Gruppe – vermutlich kommt er also aus einem jungen Planetensystem hier irgendwo in der Gegend. “Hier” kann dabei aber durchaus Entfernungen von einigen hundert Lichtjahren bedeuten. Es ist jedoch ebenfalls nicht ausgeschlossen, dass der Asteroid bereits seit Milliarden Jahren ungebunden durch die Galaxis reist.

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BrandonQMorris
  • BrandonQMorris
  • Brandon Q. Morris, 54, ist Physiker und beschäftigt sich beruflich und privat schon lange mit den spannenden Phänomenen des Alls. So ist er für den redaktionellen Teil eines Weltraum-Magazins verantwortlich und hat mehrere populärwissenschaftliche Bücher über Weltraum-Themen geschrieben. Er wäre gern Astronaut geworden, musste aber aus verschiedenen Gründen auf der Erde bleiben. Ihn fasziniert besonders das „was wäre, wenn“. Sein Ehrgeiz ist es deshalb, spannende Science-Fiction-Geschichten zu erzählen, die genau so passieren könnten – und vielleicht auch irgendwann Realität werden.