Warum es vielleicht keine Technosignaturen gibt

Wer im weiten All nach anderen Zivilisationen fahndet, sucht oft nach Anzeichen von Technologie – etwa riesigen Dyson-Sphären, die die Energie eines Sterns abschöpfen. Aber wer sagt, dass eine Zivilisation etwas braucht? NASA-Forscher haben nachgerechnet.

“Wir haben herausgefunden, dass wir selbst dann, wenn sich unsere derzeitige Bevölkerung von etwa 8 Milliarden Menschen bei einem hohen Lebensstandard auf 30 Milliarden Menschen einpendelt und wir nur Solarenergie zur Stromerzeugung nutzen, immer noch viel weniger Energie verbrauchen als das gesamte Sonnenlicht, das unseren Planeten beleuchtet”, so Ravi Kopparapu vom Goddard Space Flight Center der NASA in Greenbelt, Maryland, Hauptautor einer Studie (https://iopscience.iop.org/article/10.3847/1538-4357/ad43d7).

In der am 24. Mai im Astrophysical Journal veröffentlichten Arbeit wird gezeigt, dass wir fortgeschrittene außerirdische Zivilisationen von unserem Standpunkt aus mit Teleskopen deshalb nur schwer entdecken, weil ihr Energiebedarf relativ bescheiden ist. Wenn ihre Kultur, Technologie und Bevölkerungsgröße keine riesigen Energiemengen benötigen, müssten sie auch keine riesigen Strukturen zur Gewinnung von Sternenenergie bauen, die von aktuellen oder geplanten Teleskopen entdeckt werden könnten.

Die Studie hat Auswirkungen auf das vom Physiker Enrico Fermi postulierte Fermi-Paradoxon, das die Frage aufwirft, warum sich angesichts der Tatsache, dass unsere Galaxie uralt und riesig ist und interstellare Reisen zwar schwierig, aber möglich sind, nicht schon längst eine außerirdische Zivilisation in der Galaxie ausgebreitet hat.

“Die Implikation ist, dass Zivilisationen sich nicht gezwungen fühlen, sich über die gesamte Galaxie auszudehnen, weil sie ein nachhaltiges Bevölkerungs- und Energieverbrauchsniveau erreichen können, selbst wenn sie einen sehr hohen Lebensstandard wählen”, so Kopparapu. “Sie können innerhalb ihres eigenen Sternsystems oder sogar in nahegelegenen Sternsystemen expandieren, aber galaxieumspannende Zivilisationen gibt es vielleicht nicht.”

Hinzu kommt, dass unser eigenes technologisches Know-how möglicherweise noch nicht in der Lage ist, vorherzusagen, was fortgeschrittenere Zivilisationen überhaupt vorhaben könnten.

“Groß angelegte Strukturen zur Gewinnung von Sternenenergie könnten vor allem in Anbetracht des technologischen Fortschritts veraltet sein”, fügt Vincent Kofman hinzu, Mitautor der Studie bei der NASA Goddard und der American University in Washington, D.C. “Eine Gesellschaft, die in der Lage ist, riesige Strukturen im Weltraum zu platzieren, wäre sicherlich auch in der Lage, auf die Kernfusion oder andere effiziente Methoden der Energieerzeugung zurückzugreifen”.

Mit Hilfe von Computermodellen und NASA-Satellitendaten simulierten die Forscher einen erdähnlichen Planeten mit unterschiedlich starker Bedeckung durch Silizium-Solarzellen. Das Team modellierte dann ein fortschrittliches Teleskop wie das vorgeschlagene NASA-Observatorium für bewohnbare Welten, um zu sehen, ob es Sonnenkollektoren auf dem etwa 30 Lichtjahre entfernten Planeten entdecken könnte, was in einer Galaxie, die sich über 100.000 Lichtjahre erstreckt, relativ nahe liegt. Sie fanden heraus, dass es bereits mehrere hundert Stunden Beobachtungszeit mit dieser Art von Teleskop erfordern würde, um Signaturen von Sonnenkollektoren zu entdecken, die mindestens 23 % der Landfläche eines erdähnlichen Exoplaneten bedecken. Um den Bedarf von 30 Milliarden Menschen mit hohem Lebensstandard zu decken, braucht man jedoch nur etwa 8,9 % der Fläche mit Sonnenkollektoren zu bebauen.

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BrandonQMorris
  • BrandonQMorris
  • Brandon Q. Morris, 54, ist Physiker und beschäftigt sich beruflich und privat schon lange mit den spannenden Phänomenen des Alls. So ist er für den redaktionellen Teil eines Weltraum-Magazins verantwortlich und hat mehrere populärwissenschaftliche Bücher über Weltraum-Themen geschrieben. Er wäre gern Astronaut geworden, musste aber aus verschiedenen Gründen auf der Erde bleiben. Ihn fasziniert besonders das „was wäre, wenn“. Sein Ehrgeiz ist es deshalb, spannende Science-Fiction-Geschichten zu erzählen, die genau so passieren könnten – und vielleicht auch irgendwann Realität werden.