Warum ‘Oumuamua beschleunigt hat

Der Komet (?) ‘Oumuamua ist das erste bekannte, außerhalb des Sonnensystems entstandene Objekt, das die Astronomen auf seinem Weg durch unser Sonnensystem beobachten konnten. Seine Natur ist bis heute – zumindest für einige Forscher – nicht abschließend erklärt. Was wir wissen: Es hat keinerlei Abstrahlung gezeigt. Die Messungen in dieser Hinsicht sind so genau, dass selbst ein auf dem Objekt funkendes Handy aufgefallen wäre.

Aber ‘Oumuamua zeigt auch eine geringe nicht-gravitative Beschleunigung. Es hat sich also ncht exakt so bewegt, wie es auf Grund von Masse und Geschwindigkeit zu erwarten gewesen wäre. Bei Kometen ist das nicht ungewöhnlich. Sie setzen bei ihrer Annäherung an die Sonne typischerweise eingeschlossenes Gas frei, das für die Beschleunigung sorgt. Nun weist allerdings ‘Oumuamua keine weiteren typischen Anzeichen von Kometenaktivität auf, wie z. B. einen Schweif aus Staub oder Gas. Diese scheinbar widersprüchlichen Beobachtungen haben es den Forschern schwer gemacht, die Natur von ‘Oumuamua genau zu definieren, und bei einigen sogar den Verdacht genährt, es könnte sich um ein künstliches Objekt handeln, ein Raumschiff gar.

Ein von den Forschern Jennifer Bergner und Darryl Seligman entwickeltes Modell löst diesen Widerspruch nun auf. Die Forscher führen die Beschleunigung von ‘Oumuamua auf die Freisetzung von eingeschlossenem molekularem Wasserstoff aus dem Inneren des Objekts zurück. Dieser Wasserstoff wurde durch die energetische Verarbeitung von wasserreichem Eis gebildet, als der Körper nahe an der Sonne vorbeiflog, und wurde anschließend aus dem Objekt freigesetzt, wodurch sich seine Bahn durch unser Sonnensystem leicht gekrümmt hat. Solche Reaktionen wurden bereits in bestehenden experimentellen Arbeiten nachgewiesen, die zeigen, dass molekularer Wasserstoff unter solchen Bedingungen erzeugt und anschließend ausgestoßen werden kann.

Dieses Modell hilft uns, die ungewöhnlichen Eigenschaften von ‘Oumuamua zu verstehen, ohne dass eine weitere Feinabstimmung erforderlich ist. Die Ergebnisse stützen frühere Theorien, wonach ‘Oumuamua als eisiges Planetesimal entstanden sein könnte – ein kleines Objekt, das sich in den frühen Phasen der Planetenentstehung gebildet hat, ähnlich wie die Kometen im Sonnensystem.

Diese künstlerische Darstellung zeigt den ersten interstellaren Kometen `Oumuamua. Dieses einzigartige Objekt wurde am 19. Oktober 2017 durch das Pan-STARRS 1-Teleskop auf Hawaii entdeckt. Nachfolgende Beobachtungen des Very Large Telescope der ESO in Chile und anderer Observatorien auf der ganzen Welt zeigen, dass er vor seiner zufälligen Begegnung mit unserem Sternensystem Millionen von Jahren durch den Weltraum unterwegs war. Oumuamua scheint ein dunkelrotes, langgestrecktes, metallisches oder felsiges Objekt zu sein, das etwa 400 Meter lang ist und sich von allem unterscheidet, was man normalerweise im Sonnensystem findet.

4 Comments

  • Die Erklärung liefert David Wellington in seinem Buch “Die letzte Astronautin”. 😉
    Habe ich durch Zufall in der Bibo entdeckt. Astronautin und Kosmonautin sind ja im Grunde genommen dieselben Berufe, oder?

  • Ich drösel das jetzt mal ein bisschen auf. Es gibt nämlich auch im russischen Sprachraum den Begriff Astronaut 😉

    Dem kleinen Unterschied liegt ein ähnlicher Ursprung der beiden Begriffe zugrunde. Beide haben ihre Wurzeln in der altgriechischen Sprache, wo sich „Kosmos“ (κόσμος) auf ein „Universum“ bezieht, während sich der Begriff „Astro“ (αστρον) auf einen „Stern“ bezieht.
    In beiden Fällen leitet sich der zweite Teil der beiden Wörter „Astronaut“ und „Kosmonaut“ vom altgriechischen Wort „nautes“ (ναύτης) ab, was „Seemann“ bedeutet. Folglich bezeichnen die Russen Mitglieder ihres Raumfahrtprogramms als „Segler im Universum“, während die Amerikaner ihre als „Segler zu den Sternen“ bezeichnen. Obwohl sich beide Begriffe auf genau denselben Beruf beziehen, verwenden die Russen den Begriff „Astronaut“ auch in einem anderen Kontext als die Amerikaner.

    Bevor der polnische Ingenieur Ary Sternfeld (1905 im russischen Reich geboren und 1980 in Moskau verstorben) den Begriff „cosmonautica“ prägte, war der alternative russische Begriff „swesdoplawanije“ (zu Deutsch „Segler zu den Sternen“) weit verbreitet in Russland. Dies war jedoch lange vor dem ersten Flug ins All, als sich die sowjetischen Behörden entschieden, den Begriff „Kosmonaut“ für alle Fälle zu verwenden.

    Für die Sowjets implizierte das Präfix „Astro“ (lateinisch „Stern“) in „Astronaut“ lange Weltraumflüge zu den Sternen, was dem Begriff einen Science-Fiction-Touch verleiht. Während Kosmonauten reale Mitglieder von Raumschiffen sind, waren/sind Astronauten nach russischem Verständnis Raumfahrer der Zukunft, die nur in den Büchern der Sci-Fi-Literatur existierten. Zumindest so lange wir keine Interstellare Raumfahrt betreiben können 🙂

    • Spannend! Ergänzend dazu: Den “Taikonauten”, wie im Westen chinesische Astronauten oft genannt werden, gibt es in China nicht. Dort heißen die Raumfahrer einfach – wörtlich übersetzt – Raumfahrer.

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BrandonQMorris
  • BrandonQMorris
  • Brandon Q. Morris, 54, ist Physiker und beschäftigt sich beruflich und privat schon lange mit den spannenden Phänomenen des Alls. So ist er für den redaktionellen Teil eines Weltraum-Magazins verantwortlich und hat mehrere populärwissenschaftliche Bücher über Weltraum-Themen geschrieben. Er wäre gern Astronaut geworden, musste aber aus verschiedenen Gründen auf der Erde bleiben. Ihn fasziniert besonders das „was wäre, wenn“. Sein Ehrgeiz ist es deshalb, spannende Science-Fiction-Geschichten zu erzählen, die genau so passieren könnten – und vielleicht auch irgendwann Realität werden.