Wie ein Stern einfach verschwand

PHL 293B, auch bekannt als HL 293B, Kinmans Zwerg-Galaxie, A2228-00 oder SDSS J223036.79-000636.9, ist eine nicht besonders helle, kleine Galaxie, die 75 Millionen Lichtjahre von der Sonne entfernt ist. Sie gehört zu den sogenannten “blauen kompakten Zwerggalaxien”. Diese bestehen in der Regel aus mehreren großen, jungen Sternhaufen, die heiße, massereiche Sterne enthalten. Die hellsten davon sind blau – daher die Bezeichnung der Galaxien und ihre Farbe.

Auch bei PHL 293B ist das nicht anders. Die Zwerggalaxie, fanden Astronomen zwischen 2001 und 2011 heraus, beherbergt einen Blauen Riesen, einen “Leuchtkräftigen Blauen Veränderlichen” (LBV), der etwa 2,5 Millionen Mal heller strahlt als die Sonne. Solche Sterne sind, das sagt schon ihr Name, instabil und dramatische Veränderungen in ihrem Spektrum und ihrer Helligkeit sind die Regel, nicht die Ausnahme. Diese Schwankungen hinterlassen spezifische Spuren, die von den Wissenschaftlern identifiziert werden können.

Als Astronomen allerdings 2019 das Very Large Telescope der ESO auf die Mini-Galaxie richteten, war von solchen Spuren nichts mehr zu bemerken. Der Stern, den die Forscher zwar nie direkt beobachtet, aber doch nachgewiesen hatten, schien mit einem Mal verschwunden, wie sie nun in den Monthly Notices of the Royal Astronomical Society berichten.

“Wir haben vielleicht einen der massereichsten Sterne des lokalen Universums entdeckt, der sanft in der Dunkelheit verschwindet”, sagt Teammitglied Jose Groh vom Trinity College Dublin. Das Team nutzte dann ältere Beobachtungen, um sich eine Meinung über den Verbleib des Sterns zu bilden. Diese alten Daten deuteten darauf hin, dass der Stern in der Kinman-Zwerggalaxie eine starke Ausbruchsperiode durchgemacht haben könnte, die wahrscheinlich irgendwann nach 2011 endete. Normalerweise jedoch ist das Lebensende eines Riesensterns mit einer weithin sichtbaren Supernova verbunden. Hier nicht.

Dementsprechend haben die Astronomen zwei Erklärungen für das Verschwinden des Sterns vorgeschlagen. Der Ausbruch um 2011 könnte dazu geführt haben, dass der LBV in einen weniger leuchtkräftigen Stern umgewandelt wurde, der zusätzlich teilweise durch Staub verdeckt sein könnte. Der Stern wäre also noch vorhanden, nur nicht mehr nachweisbar. Alternativ schlägt das Team vor, dass der Stern möglicherweise direkt in ein Schwarzes Loch kollabiert ist, ohne eine Supernova-Explosion zu erzeugen. Das wäre ein sehr seltenes Ereignis. Was wirklich passiert ist, wird sich wohl frühestens 2025 klären, wenn das Extremely Large Telescope (ELT) der ESO in Betrieb genommen wird. Es sollte in der Lage sein, Sterne in weit entfernten Galaxien wie der Kinman-Zwerggalaxie aufzulösen und so zur Lösung dieses kosmischen Rätsels beizutragen.

Diese künsterische Darstellung zeigt, wie der leuchtkräftige blaue veränderliche Stern in der Kinman-Zwerggalaxie vor seinem mysteriösen Verschwinden ausgesehen haben könnte. (Bild: ESO/L. Calçada)
Diese Weitwinkelaufnahme zeigt die Himmelsregion im Sternbild Wassermann (Aquarius), in der die Kinman-Zwerggalaxie zu finden ist. Diese Ansicht wurde aus Bildern erstellt, die zum Digitized Sky Survey 2 gehören. (Bild: ESO/Digitized Sky Survey 2. Acknowledgement: Davide De Martin)

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BrandonQMorris
  • BrandonQMorris
  • Brandon Q. Morris, 54, ist Physiker und beschäftigt sich beruflich und privat schon lange mit den spannenden Phänomenen des Alls. So ist er für den redaktionellen Teil eines Weltraum-Magazins verantwortlich und hat mehrere populärwissenschaftliche Bücher über Weltraum-Themen geschrieben. Er wäre gern Astronaut geworden, musste aber aus verschiedenen Gründen auf der Erde bleiben. Ihn fasziniert besonders das „was wäre, wenn“. Sein Ehrgeiz ist es deshalb, spannende Science-Fiction-Geschichten zu erzählen, die genau so passieren könnten – und vielleicht auch irgendwann Realität werden.