Wurden die ersten Schwarzen Löcher in Form von Baby-Universen geboren?

Kurz nach dem Urknall war das Universum noch undurchdringlich. Seine Dichte war so hoch, dass eine Schwankung von nur 50 Prozent – eine Kaffeebohne in einem Kuchenteig also – gereicht hätte, sofort ein Schwarzes Loch zu produzieren. Die Dichte war immerhin variabel genug, um aus den Unterschieden später ganze Galaxien wachsen zu lassen. Allerdings scheint es zu diesem Zeitpunkt keinerlei “Kaffeebohnen” gegeben zu haben – das verrät heute die doch recht uniforme kosmische Hintergrundstrahlung.

Trotzdem könnten damals sogenannte promordiale Schwarze Löcher entstanden sein, nur eben auf anderen Wegen. Sie könnten heute die gesamte oder einen Teil der dunklen Materie ausmachen, für einige der beobachteten Gravitationswellensignale verantwortlich sein und die Keime für die supermassiven schwarzen Löcher im Zentrum unserer Galaxie und anderer Galaxien geliefert haben. Sie könnten auch eine Rolle bei der Synthese von schweren Elementen spielen, wenn sie mit Neutronensternen kollidieren und diese zerstören, wobei neutronenreiches Material freigesetzt wird. Insbesondere besteht die spannende Möglichkeit, dass die mysteriöse Dunkle Materie, die den größten Teil der Materie im Universum ausmacht, aus primordialen Schwarzen Löchern besteht.

Eine ganze Reihe von Prozessen im frühen Universum könnte die richtigen Bedingungen für die Entstehung Schwarzer Löcher geschaffen haben. Eine spannende Option besteht darin, dass sich primordiale Schwarze Löcher aus den “Baby-Universen” gebildet haben könnten, die in der Inflationsphase entstanden sind, einer Periode schneller Expansion, von der man annimmt, dass sie für die Entstehung der Strukturen verantwortlich ist, die wir heute beobachten. Während der Inflation könnten diese Baby-Universen quasi von unserem Universum abgezweigt sein, bis sie irgendwann kollabiert wären. Eine große Menge an Energie, die in kleinem Volumen freigesetzt wird, führte dann zur Bildung eines Schwarzen Lochs.

Ein noch merkwürdigeres Schicksal erwartet allerdings ein größeres Baby-Universum. Wenn es über eine kritische Größe hinauswächst, erlaubt Einsteins Allgemeine Relativitätstheorie, dass das Baby-Universum in einem Zustand existiert, den Beobachter im Inneren und außerhalb unterschiedlich wahrnehmen. Von innen sieht der Betrachter ein expandierendes Universum, während ein Betrachter von außen (wie wir) ein Schwarzes Loch erkennt. Hinter den Ereignishorizonten der primordialen Schwarzen Löcher verbirgt sich dann die zugrundeliegende Struktur von mehreren Universen – allerdings für uns von außen völlig unzugänglich, da nichts dem Ereignishorizont eines Schwarzen Lochs entkommen kann.

Ein internationales Team von Physikern, Kosmologen und Astronomen des Kavli Institute for the Physics and Mathematics of the Universe (Kavli IPMU) beschreibt nun in einer Arbeit ein solches neuartiges Szenario für die Entstehung von PBHs und zeigt, dass die Schwarzen Löcher aus dem “Multiversum”-Szenario mit Hilfe der Hyper-Suprime-Cam (HSC) des 8,2m-Subaru-Teleskops auf dem Mt. Mauna Kea auf Hawaii gefunden werden können. Die HSC hat die einzigartige Fähigkeit, die gesamte Andromeda-Galaxie alle paar Minuten abzubilden. Wenn ein Schwarzes Loch die Sichtlinie zu einem der Sterne durchquert, beugt die Schwerkraft des Schwarzen Lochs die Lichtstrahlen und lässt den Stern für kurze Zeit heller erscheinen als zuvor. Die Dauer der Aufhellung des Sterns verrät den Astronomen die Masse des Schwarzen Lochs. Mit HSC-Beobachtungen kann man hundert Millionen Sterne gleichzeitig beobachten und so ein weites Netz nach primordialen Schwarzen Löchern auswerfen, die möglicherweise eine der Sichtlinien kreuzen.

Die ersten HSC-Beobachtungen haben bereits ein sehr faszinierendes Kandidatenereignis gemeldet, das mit einem PBH aus dem “Multiversum” übereinstimmt, mit einer Masse des Schwarzen Lochs, die etwa der Masse des Mondes entspricht. Ermutigt durch dieses erste Anzeichen und geleitet durch das neue theoretische Verständnis, führt das Team nun eine neue Runde von Beobachtungen durch, um die Suche auszuweiten und einen endgültigen Test zu liefern, ob PBHs aus dem Multiversum-Szenario die gesamte dunkle Materie erklären können.

Falls sich die Theorie bestätigt, führt sie zu spannenden Gedankenexperimenten: Was, wenn wir uns nicht “außen” befinden, sondern selbst bloß innerer Beobachter eines Baby-Universums sind? Dessen Abzweigen wäre dann, was wir als Urknall wahrnehmen. Und wer sagt, dass unser Baby-Universum nicht kurz vor dem Kollaps steht?

Ein Stern in der Andromeda-Galaxie wird vorübergehend heller, wenn ein primordiales Schwarzes Loch vor dem Stern vorbeizieht und sein Licht gemäß der Relativitätstheorie bündelt. (Bild: Kavli IPMU/HSC Collaboration)
Baby-Universen, die kurz nach dem Urknall von unserem Universum abzweigen, erscheinen uns als Schwarze Löcher. (Bild: Kavli IPMU)

One Comment

  • Wie weit weicht diese Idee vom Bubbel Universium ab ?

    Eigentlich in nichts.
    Anders würde ich es sehen, wenn unser Universium nicht innerhalb der Blase ist, sondern in den Wänden der Blase bestünde. Was sozusagen eine Art Ausnahmezustand beinhaltet.

    Jedes weitere ,, Urknallereignis ” bläst sich dann in und an den Grenzlinien auf.

    Die Varianten kann man sehr schön mit einfachen Seifenblasen nachstellen.
    Dabei würden dann Grenzlinien interessante Orte darstellen. Vorallem hinsichtlich der Gravitationswirkungen. Vielleicht selbige die auch Schwarze Löcher besitzen dürfen ?

    Insgesamt neige ich aber dem Never Ending Universium zu, wobei die Wandlung, als die stete Neugeburt, aber auch ohne Urknall vorhanden ist.Also die bereits genannte Ausnahme bzw. UNGENAUIGKEIT beweist.

    Was aber nicht bedeutet, das unser Universium nicht enden wird.Es ist mehr der Kipppunkt an den Grenzen.

    Der gesamte Schaum ist dabei eventuell nicht sehr gleichförmig. Sondern nur ähnlich. Dabei ist das besondere Hauptmerkmal für ähnliche Universien, eine gewisse physikalische Beständigkeit. Wir können hier den Vergleich zu Sternen verwenden.Zu Fett = kurze Lebensdauer. Also die Art der Ausnahme ist durchaus definiert. Damit ist der Übergang in ein anderes Universium möglich.

    ….. es gibt sicher noch mehr zu sagen..aber dazu ist das hier zu ..ungünstig im Format.

Schreibe einen Kommentar zu Steffen Bretschneider Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

BrandonQMorris
  • BrandonQMorris
  • Brandon Q. Morris, 54, ist Physiker und beschäftigt sich beruflich und privat schon lange mit den spannenden Phänomenen des Alls. So ist er für den redaktionellen Teil eines Weltraum-Magazins verantwortlich und hat mehrere populärwissenschaftliche Bücher über Weltraum-Themen geschrieben. Er wäre gern Astronaut geworden, musste aber aus verschiedenen Gründen auf der Erde bleiben. Ihn fasziniert besonders das „was wäre, wenn“. Sein Ehrgeiz ist es deshalb, spannende Science-Fiction-Geschichten zu erzählen, die genau so passieren könnten – und vielleicht auch irgendwann Realität werden.