Auf der Suche nach der Asymmetrie des Universums

Wäre das Universum symmetrisch, gäbe es weder Sie noch mich noch sonst irgendetwas – außer einer Menge Energie. Dann hätten sich nämlich kurz nach dem Urknall Materie und Antimaterie, die damals (Symmetrie vorausgesetzt) in identischer Menge existiert haben müssen, gegenseitig annihiliert. Das ist nicht passiert. Materie hat die Oberhand behalten. Wir wissen also, dass das Universum nicht symmetrisch sein kann. Aber wieso? Die Physik liefert uns dazu – noch – keone Hinweise. Astrophysiker suchen deshalb schon länger nach visuellen Spuren, die vielleicht etwas über die Art der Asymmetrie und ihr erstes Auftreten verraten.

Eine spannende neue Herangehensweise bedient sich sogenannter 4-Punkt-Korrelationsfunktionen – auf Englisch meist als 4PCF abgekürzt. Keine Angst, das ist zwar Mathematik, aber die praktische Umsetzung ist relativ einfach. 4PCF haben den Vorteil, dass sie es erlauben, Asymmetrien zu finden und festzunageln. Praktisch erfolgt das folgendermaßen: Man nimmt sich aus der Menge bekannter Galaxien jeweils vier heraus, misst ihre Abstände r1, r2 und r3 und legt das Quartett dann in für jede Kombination aus r1, r2 und r3 unterschiedliche Kisten. Man zählt also letztlich, wie viele verschiedene Galaxien-Tetraeder mit den Seitenlängen r1, r2 und r3 es gibt. Wäre das Universum symmetrisch, müssten alle unterschiedlich großen Tetraeder gleich wahrscheinlich sein.

Aber das sind sie nicht, wie in einer neuen Arbeit Astronomen der University of Florida herausgefunden haben. Die UF-Wissenschaftler untersuchten eine Million Billionen galaktische Vierlinge im Universum und entdeckten, dass das Universum zu einem bestimmten Zeitpunkt einen bestimmten Satz von Formen gegenüber ihren Spiegelbildern bevorzugte. Diese Idee, die als Verletzung der Paritätssymmetrie bekannt ist, deutet auf einen winzigen Zeitraum in der Geschichte unseres Universums hin, in dem die physikalischen Gesetze anders waren als heute, was enorme Auswirkungen auf die Entwicklung des Universums hatte.

Die mit hoher statistischer Sicherheit getroffene Feststellung hat vor allem zwei Konsequenzen. Erstens kann sich diese Paritätsverletzung nur während einer Periode extremer Inflation in den frühesten Momenten des Universums in die zukünftigen Galaxien eingeprägt haben, was eine zentrale Komponente der Urknalltheorie über den Ursprung des Kosmos bestätigt. Die Verletzung der Parität würde auch helfen, die vielleicht wichtigste Frage der Kosmologie zu beantworten: Warum ist etwas da und nicht nichts? Denn die Paritätsverletzung ist erforderlich, um zu erklären, warum es mehr Materie als Antimaterie gibt – eine wesentliche Voraussetzung dafür, dass sich Galaxien, Sterne, Planeten und Leben in der Art und Weise bilden konnten, wie sie entstanden sind.

“Ich habe mich schon immer für die großen Fragen des Universums interessiert. Was ist der Anfang des Universums? Nach welchen Regeln entwickelt es sich? Warum gibt es etwas und nicht nichts?”, sagte Zachary Slepian, UF-Astronomieprofessor, der die neue Studie leitete. “Diese Arbeit befasst sich mit diesen großen Fragen.” Slepian arbeitete mit dem UF-Postdoktoranden und Erstautor der Studie, Jiamin Hou, und dem Physiker Robert Cahn vom Lawrence Berkeley National Laboratory zusammen, um die Analyse durchzuführen.

Die Paritätssymmetrie besagt, dass physikalische Gesetze nicht eine bestimmte Form gegenüber ihrem Spiegelbild bevorzugen sollten. Wissenschaftler verwenden zur Beschreibung dieses Merkmals gewöhnlich den Begriff “Händigkeit”, da unsere linke und rechte Hand solche Spiegelbilder sind, die wir alle kennen. Es gibt keine Möglichkeit, die linke Hand so zu drehen, dass sie genau wie die rechte Hand aussieht, was bedeutet, dass sie immer voneinander unterscheidbar sind.

Eine Verletzung der Parität würde bedeuten, dass das Universum eine Vorliebe für entweder links- oder rechtshändige Formen hat. Die technischen Aspekte der Analyse machen es derzeit noch schwierig zu sagen, ob das Universum “rechtshändige” oder “linkshändige” Formen bevorzugt. Aber die Wissenschaftler sahen klare Beweise dafür, dass der Kosmos eine Vorliebe hat.

Leave a Comment

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

BrandonQMorris
  • BrandonQMorris
  • Brandon Q. Morris, 54, ist Physiker und beschäftigt sich beruflich und privat schon lange mit den spannenden Phänomenen des Alls. So ist er für den redaktionellen Teil eines Weltraum-Magazins verantwortlich und hat mehrere populärwissenschaftliche Bücher über Weltraum-Themen geschrieben. Er wäre gern Astronaut geworden, musste aber aus verschiedenen Gründen auf der Erde bleiben. Ihn fasziniert besonders das „was wäre, wenn“. Sein Ehrgeiz ist es deshalb, spannende Science-Fiction-Geschichten zu erzählen, die genau so passieren könnten – und vielleicht auch irgendwann Realität werden.