Wer hat die Kugelsternhaufen verschmutzt?

Kugelsternhaufen sind sehr dichte, kugelförmige Ansammlungen von Sternen mit einem Radius von einem Dutzend bis zu hundert Lichtjahren. Sie können bis zu eine Million Sterne enthalten und sind in allen Arten von Galaxien zu finden. In unserer Galaxie gibt es etwa 180 von ihnen. Eines ihrer großen Rätsel ist die Zusammensetzung der in ihnen enthaltenen Sterne. Obwohl alle zur gleichen Zeit in derselben Gaswolke geboren wurden, variieren etwa die Anteile von Sauerstoff, Stickstoff, Natrium und Aluminium von einem Stern zum anderen.

Ein Team der Universitäten Genf (UNIGE) und Barcelona sowie des Institut d’Astrophysique de Paris hat eine mögliche Erklärung für dieses Phänomens gefunden. Im Jahr 2018 hatten die Forschenden ein theoretisches Modell entwickelt, wonach supermassive Sterne die ursprüngliche Gaswolke während der Entstehung dieser Haufen “verunreinigt” und ihre Sterne in heterogener Weise mit chemischen Elementen angereichert haben könnten. “Heute glauben wir, dank der vom James-Webb-Weltraumteleskop gesammelten Daten einen ersten Hinweis auf das Vorhandensein dieser außergewöhnlichen Sterne gefunden zu haben”, erklärt Corinne Charbonnel, Professorin am Fachbereich Astronomie der UNIGE-Fakultät für Naturwissenschaften und Erstautorin der Studie.

Diese Himmelsmonster sind 5 000 bis 10 000 Mal massereicher und in ihrem Zentrum fünf Mal heißer (75 Millionen °C) als die Sonne. Doch der Nachweis ihrer Existenz ist schwierig. Kugelsternhaufen sind zwischen 10 und 13 Milliarden Jahre alt, während die maximale Lebensdauer solcher Supersternen zwei Millionen Jahre beträgt. “Sie sind also schon sehr früh aus den heute beobachtbaren Haufen verschwunden. Es gibt nur noch indirekte Spuren”, erklärt Mark Gieles, ICREA-Professor an der Universität Barcelona und Mitautor der Studie.

Dank der sehr starken Infrarotsicht des James-Webb-Teleskops konnten die Koautoren ihre Hypothese nun untermauern. Webb fing das Licht einer der am weitesten entfernten und jüngsten bisher bekannten Galaxien in unserem Universum ein. GN-z11 befindet sich in einer Entfernung von etwa 13,3 Milliarden Lichtjahren und ist nur wenige zehn Millionen Jahre alt. In der Astronomie ist die Analyse des Lichtspektrums von kosmischen Objekten ein Schlüsselelement zur Bestimmung ihrer Eigenschaften. In diesem Fall hat das von dieser Galaxie ausgestrahlte Licht zwei wertvolle Informationen geliefert.

“Es wurde festgestellt, dass GN-z11 einen sehr hohen Anteil an Stickstoff und eine sehr hohe Dichte an Sternen enthält”, sagt Daniel Schaerer, außerordentlicher Professor am Institut für Astronomie der UNIGE-Fakultät für Naturwissenschaften und Mitautor der Studie. Dies deutet darauf hin, dass sich in dieser Galaxie mehrere Kugelsternhaufen bilden und dass sie immer noch einen aktiven supermassiven Stern beherbergen. “Die starke Präsenz von Stickstoff lässt sich nur durch die Verbrennung von Wasserstoff bei extrem hohen Temperaturen erklären, die nur im Kern supermassereicher Sterne erreicht werden können, wie die Modelle von Laura Ramirez-Galeano, einer Masterstudentin unseres Teams, zeigen”, sagt Charbonnel.

Hubble-Foto des 22.000 Lichtjahre von der Erde entfernten Kugelsternhaufens M13, der aus einer Million Sterne besteht, die auf einen Raum von 150 Lichtjahren Durchmesser gequetscht sind. (Bild: Hubble / STScI, NASA, ESA)

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BrandonQMorris
  • BrandonQMorris
  • Brandon Q. Morris, 54, ist Physiker und beschäftigt sich beruflich und privat schon lange mit den spannenden Phänomenen des Alls. So ist er für den redaktionellen Teil eines Weltraum-Magazins verantwortlich und hat mehrere populärwissenschaftliche Bücher über Weltraum-Themen geschrieben. Er wäre gern Astronaut geworden, musste aber aus verschiedenen Gründen auf der Erde bleiben. Ihn fasziniert besonders das „was wäre, wenn“. Sein Ehrgeiz ist es deshalb, spannende Science-Fiction-Geschichten zu erzählen, die genau so passieren könnten – und vielleicht auch irgendwann Realität werden.