Versteckt sich die Dunkle Energie in den Leichen von Sternen?

Dass die Expansion des Universums immer schneller abläuft, gilt heute als gesichert. Schuld daran soll eine abstoßende Energieform sein, die Dunkle Energie. Doch ihre Natur bleibt ein Rätsel. Nun hat ein Forscherteam der Universität Hawai’i in Mānoa im The Astrophysical Journal eine interessante Vorhersage aufgestellt: Die dunkle Energie, die für dieses beschleunigte Wachstum verantwortlich ist, könnte aus einem riesigen Meer kompakter Objekte stammen, die in den Hohlräumen zwischen den Galaxien verteilt sind.

Schon Mitte der 1960er Jahre schlugen Physiker erstmals vor, dass beim Kollaps von Sternen keine echten Schwarzen Löcher, sondern stattdessen sogenannte “GEnerische Objekte der Dunklen Energie” (GEODEs) entstehen sollten. Im Gegensatz zu Schwarzen Löchern vertragen sich GEODEs sehr gut mit den Einsteinschen Gleichungen, weil sie keine Singularitäten enthalten. Stattdessen umgibt eine sich drehende Schicht einen Kern aus Dunkler Energie. Von außen betrachtet erscheinen GEODEs und Schwarze Löcher sehr, sehr ähnlich. Das gilt insbesondere auch dann, wenn man die “Geräusche” ihrer Kollisionen mit einem Gravitationswellenobservatorium misst.

Da GEODEs in dieser Hinsicht Schwarze Löcher imitieren, nahm man auch an, dass sie sich auf die gleiche Weise durch den Weltraum bewegen wie diese. “Dies wird zu einem Problem, wenn man die beschleunigte Expansion des Universums erklären will”, so Kevin Croker, der Hauptautor der Studie. “Auch wenn wir letztes Jahr bewiesen haben, dass GEODEs im Prinzip die notwendige Dunkle Energie liefern können, braucht man viele alte und massive GEODEs. Wenn sie sich wie Schwarze Löcher bewegten und in der Nähe der sichtbaren Materie blieben, wären Galaxien wie unsere eigene Milchstraße schon längst gestört worden”.

Aber das ist wohl nicht der Fall. Die Forscher fanden heraus, dass die sich drehende Schicht um jede GEODE bestimmt, wie sich die Objekte relativ zueinander bewegen. Wenn sich ihre äußeren Schichten langsam drehen, verklumpen GEODE schneller als Schwarze Löcher miteinander. Das liegt daran, dass GEODE durch das Wachstum des Universums selbst an Masse gewinnen. Bei GEODE mit Schichten, die sich nahe der Lichtgeschwindigkeit drehen, wird der Massenzuwachs jedoch von einem anderen Effekt dominiert, und die GEODE beginnen, sich gegenseitig abzustoßen. “Die Abhängigkeit vom Spin war wirklich ganz unerwartet. Wenn sie durch die Beobachtung bestätigt würde, wäre es eine völlig neue Klasse von Phänomenen”.

Das Team löste die Einsteinschen Gleichungen unter der Annahme, dass viele der ältesten Sterne, die geboren wurden, als das Universum weniger als 2 Prozent seines heutigen Alters hatte, bei ihrem Tod GEODEs bildeten. Da sich diese alten GEODEs von anderen Sternen und reichlich interstellarem Gas ernährten, begannen sie sich sehr schnell zu drehen. Sobald sie sich schnell genug drehten, führte die gegenseitige Abstoßung der GEODEs dazu, dass sich die meisten von ihnen in Regionen entfernten, die schließlich zu den leeren Hohlräumen zwischen den heutigen Galaxien werden sollten.

GEODEs könnten damit das Problem der Dunklen Energie lösen, während sie gleichzeitig mit verschiedenen Beobachtungen über große Entfernungen hinweg in Harmonie bleiben. GEODEs halten sich von heutigen Galaxien fern, sodass sie die empfindlichen Sternpaare nicht stören, die innerhalb der Milchstraße gezählt werden. Die Anzahl der zur Lösung des Dunkle-Energie-Problems erforderlichen alten GEODEs stimmt zudem mit der Anzahl der alten Sterne überein. GEODEs stören die gemessene Verteilung von Galaxien im Raum nicht, da sie sich bereits von der leuchtenden Materie trennten, bevor sich die heutigen Galaxien herausbildeten. Schließlich wirken sich GEODE nicht direkt auf die sanften Wellen im Nachglühen des Urknalls aus, da sie von toten Sternen Hunderte von Millionen Jahren nach der Freisetzung dieser kosmischen Hintergrundstrahlung geboren werden.

Was nun allerdings noch fehlt, ist der direkte Nachweis einer einzigen GEODE. Die Forscher hoffen, bald einen möglichen Weg dafür zu finden.

Ein GEODE-Szenario ändert nicht die Standardstrukturbildung im Universum. Das Universum wächst von links nach rechts. Blaue Regionen entsprechen der Materie. GEODEs bilden sich in grünen Regionen und wandern in schwarze Regionen (Bild: Volker Springel / Max-Planck-Institut für Astrophysik)

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BrandonQMorris
  • BrandonQMorris
  • Brandon Q. Morris, 54, ist Physiker und beschäftigt sich beruflich und privat schon lange mit den spannenden Phänomenen des Alls. So ist er für den redaktionellen Teil eines Weltraum-Magazins verantwortlich und hat mehrere populärwissenschaftliche Bücher über Weltraum-Themen geschrieben. Er wäre gern Astronaut geworden, musste aber aus verschiedenen Gründen auf der Erde bleiben. Ihn fasziniert besonders das „was wäre, wenn“. Sein Ehrgeiz ist es deshalb, spannende Science-Fiction-Geschichten zu erzählen, die genau so passieren könnten – und vielleicht auch irgendwann Realität werden.