Was befindet sich zwischen den ältesten Galaxien?

Leerer Raum? Nicht ganz, auch wenn man das auf den ersten Blick annehmen könnte (siehe Bild unten). Aufnahmen des MUSE-Spektrografen am Very Large Telescope der ESO zeigen nämlich das blanke Gegenteil. Ein internationales Astronomenteam um Lutz Wisotzki, Professor für Beobachtende Kosmologie am Leibniz-Institut für Astrophysik Potsdam (AIP) und der Universität Potsdam, entdeckte mit dem MUSE-Instrument des Very Large Telescope (VLT) der ESO eine unerwartete Fülle sogenannter Lyman-alpha-Emissionen in einem Gebiet im Sternbild Fornax, das vom Welltraumteleskop Hubble 2004 besonders genau kartiert worden war, der Hubble Ultra Deep Field (HUDF)-Region.

Die speziellen Emissionen entstehen, wenn die Elektronen im Wasserstoffatom zwischen zwei bestimmten Energiezuständen wechseln. Die dabei freiwerdende Energie senden die Atome als ultraviolette Strahlung aus. Da die Bereiche im Hubble Deep Field sehr weit entfernt (und sehr damit auch sehr alt) sind, ist ihr Licht stark in Richtung Rot verschoben, sodass uns das eigentlich unsichtbare UV-Licht im sichtbaren Spektralbereich erscheint. Die Strahlung deckt dabei fast das gesamte Bildfeld ab, was die Arbeitsgruppe zu der Schlussfolgerung veranlasst, dass nahezu der gesamte Himmel unsichtbar im Licht der Lyman-alpha-Emission aus dem frühen Universum erstrahlt.

„Zu erkennen, dass der ganze Himmel bei der Beobachtung der Lyman-alpha-Strahlung aus fernen Wasserstoffwolken optisch leuchtet, war eine buchstäblich augenöffnende Überraschung“, bekundet Kasper Borello Schmidt, Mitglied des Astronomenteams, die Überraschung der Gruppe. „Das ist eine großartige Entdeckung“, ergänzt Teammitglied Themiya Nanayakkara. „Wenn du das nächste Mal den mondlosen Nachthimmel betrachtest und die Sterne siehst, stell dir das unsichtbare Glühen des Wasserstoffs vor: der Grundbaustein des Universums, der den ganzen Nachthimmel durchzieht.“

Aber warum leuchtet der Wasserstoff überhaupt? Damit Elektronen UV-Strahlung aussenden können, müssen sie zunächst angeregt worden sein, also mit Energie versehen. Das internationale Team von Astronomen, das diese Beobachtungen durchführte, hat deshalb einige Hypothesen über den notwendigen Mechanismus aufgestellt. Eine Ursache könnte demnach die Streuung von energiereichem Licht von heißen Sternen sein. Auch andere Vorgänge – oder mehrere Prozesse – könnten für die Lyman-alpha-Strahlung verantwortlich sein, das werden künftige Messungen ermitteln müssen. Die Forscher interessieren sich zudem dafür, welche Rolle die für die Strahlung verantwortlichen, riesigen kosmischen Reservoirs atomaren Wasserstoffs im Weltraum bei der Entstehung und Entwicklung von Galaxien spielen.

 

Beobachtungen mit dem MUSE-Spektrografen am Very Large Telescope der ESO haben riesige kosmische Reservoirs von atomarem Wasserstoff um entfernte Galaxien entdeckt. Fast der ganze Nachthimmel glüht damit unbemerkt (Bild: ESA/Hubble & NASA, ESO/ Lutz Wisotzki et al.)
Farbbild aus Aufnahmen des Digitized Sky Surveys 2 (DSS2). Das Bildfeld beträgt etwa 2,4° x 2,0°. Die scheinbare Leere dieses Himmelsausschnitts ist leicht zu erkennen (Bild:
ESO/Digitized Sky Survey 2. Acknowledgment: Davide De Martin)

Leave a Comment

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

BrandonQMorris
  • BrandonQMorris
  • Brandon Q. Morris, 54, ist Physiker und beschäftigt sich beruflich und privat schon lange mit den spannenden Phänomenen des Alls. So ist er für den redaktionellen Teil eines Weltraum-Magazins verantwortlich und hat mehrere populärwissenschaftliche Bücher über Weltraum-Themen geschrieben. Er wäre gern Astronaut geworden, musste aber aus verschiedenen Gründen auf der Erde bleiben. Ihn fasziniert besonders das „was wäre, wenn“. Sein Ehrgeiz ist es deshalb, spannende Science-Fiction-Geschichten zu erzählen, die genau so passieren könnten – und vielleicht auch irgendwann Realität werden.