Alt und jung gleichzeitig? Das Rätsel der Roten Riesen

Am Ende ihres Lebens entwickeln sich Sterne der Hauptreihe (also in Zukunft auch die Sonne) zu Roten Riesen. Dieser Weg ist ihnen vorgezeichnet. Trotzdem ist es nicht so einfach, einem Roten Riesen sein wahres Alter anzusehen. Denn es gibt zu viele individuelle Faktoren, die die Entwicklung dorthin beschleunigen oder bremsen können.

Die Astronomen sind zwar inzwischen recht gut in dieser Kunst, aber es gibt immer wieder Ausnahmen. Vor vier Jahren haben Forscher des Leibniz-Instituts für Astrophysik und des Max-Planck-Instituts für Astronomie Rote Riesen entdeckt, bei denen die Altersangaben je nach Methode um bis zu vier Milliarden Jahre schwankten. „Die Sterne schienen gleichzeitig alt und jung zu sein“, erinnert sich Dr. Saskia Hekker vom MPS und der Universität Aarhus in Dänemark, die damals zu beiden Entdeckerteams gehörte. Das Paradoxon hat die Forscherin nicht losgelassen, und nun hat sie es zusammen mit ihrer Kollegin Dr. Jennifer A. Johnson von der Ohio State University in den USA gelöst. Die Riesensterne täuschen demnach ihr jugendliches Alter nur vor.

Das Material, aus dem sie bestehen, deutet zwar auf ein Alter von zehn Milliarden Jahren hin. Die Sterne enthalten nur relativ wenig Eisen, das erst spät in der Entwicklung des Universums produziert wurde. Alte Sterne enthalten deshalb wenig Eisen, junge dagegen mehr. Das Verhältnis der Elemente bestimmt man über das Spektrum des Sterns, in dem jedes Element einen charakteristischen Fingerabdruck hinterlässt.

Eine andere Methode der Altersbestimmung betrachtet hingegen die Schwingungen eines Sterns und bestimmt damit seine Masse. Sterne mit Übergewicht sterben früher. Die rätselhaften Roten Riesen erwiesen sich auf diesem Wege als Schwergewichte, die auf jeden Fall jünger älter als sechs Milliarden Jahre sein sollten.

Die neue Untersuchung löst diesen Widerspruch, indem die Forscherinnen zeigen, dass die betroffenen Sterne ein ereignisreiches Leben hinter sich haben. „Einige der rätselhaften Sterne müssen während oder nach ihrer Transformation in Rote Riesen mit anderen verschmolzen sein“, sagt Dr. Saskia Hekker. „Ihre hohes Gewicht ist somit keine ursprüngliche Eigenschaft und eignet sich nicht zur Altersbestimmung. Sie sind in Wirklichkeit alt.“

Den wichtigsten Hinweis darauf liefern die Elemente Kohlenstoff, Stickstoff und Sauerstoff an der Oberfläche der Sterne. In Roten Riesen werden sie aus dem Kern an die Oberfläche transportiert. Je nachdem, wie heiß – und damit massereich – der betreffende Stern ist, finden sich die Elemente in unterschiedlichen Verhältnissen. In ihren Messungen fanden die Forscherinnen nun in einigen Fällen Werte, die typisch sind für Sterne geringer Masse. „Bevor sie zu Roten Riesen wurden, müssen dieser Sterne noch vergleichsweise leicht gewesen sein“, sagt Jennifer Johnson von der Ohio State University. „Ihr heutiges hohes Gewicht lässt sich dadurch erklären, dass sie als Rote Riesen mit anderen Sternen verschmolzen sind.“

Die Erklärung trifft allerdings nicht auf alle untersuchten Sterne zu. Einige könnten womöglich schon in einer früheren Entwicklungsphase mit anderen verschmolzen sein. Eine endgültige Erklärung steht hier noch aus.

Ein Planet wird von einem Roten Riesen geröstet (Bild: ESO/L. Calçada)
Ein indirekter Blick in einen Roten Riesen (Bild: SAGE-group/MPS)

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BrandonQMorris
  • BrandonQMorris
  • Brandon Q. Morris, 54, ist Physiker und beschäftigt sich beruflich und privat schon lange mit den spannenden Phänomenen des Alls. So ist er für den redaktionellen Teil eines Weltraum-Magazins verantwortlich und hat mehrere populärwissenschaftliche Bücher über Weltraum-Themen geschrieben. Er wäre gern Astronaut geworden, musste aber aus verschiedenen Gründen auf der Erde bleiben. Ihn fasziniert besonders das „was wäre, wenn“. Sein Ehrgeiz ist es deshalb, spannende Science-Fiction-Geschichten zu erzählen, die genau so passieren könnten – und vielleicht auch irgendwann Realität werden.