Die Erde hat einen neuen Begleiter – und warum das spannend ist

Keine Sorge: in dieser Geschichte geht es nicht schon wieder um die bevorstehende Zerstörung der Erde. Im Gegenteil: Asteroiden wie der im Jahre 2020 entdeckte 2020 XL5 sind spannend, weil sie Erkenntnisse über die frühe Vergangenheit der Erde liefern könnten. 2020 XL5 ist, wie Astronomen jetzt im Wissenschaftsmagazin Nature sicher bestätigen (die Vermutung bestand schon zuvor) ein sogenannter Trojaner. Ein Asteroid also, der die Erde in ihrem Orbit begleitet.

Betrachtet man nur das System aus Sonne und Planet, gibt es mehrere Orte, an denen sich die Anziehungskräfte von Planet und Sonne gegenseitig aufheben. Das sind die sogenannten Lagrange-Punkte. Objekte, die sich dort aufhalten, können den Hauptkörper (die Sonne) antriebslos und damit in einem relativ stabilen Orbit umkreisen. Das James-Webb-Teleskop hat gerade den Lagrange-Punkt L2 hinter der Erde erreicht. Weitere Lagrange-Punkte, L4 und L5, liegen auf dem Orbit des Planeten, und zwar 60 Grad vor bzw. hinter diesem. 2020 XL5 hält sich ungefähr bei L4 auf. Der Asteroid läuft der Erde also voraus.

In der Realität besteht das Sonnensystem allerdings nicht nur aus der Sonne und einem Planeten. Im Fall des Jupiters, der eine große Gefolgschaft von Trojanern besitzt, sieht es für diese noch ganz gut aus, weil Jupiter so riesig ist und störende Drittplaneten weit entfernt ist. Im Erdorbit hingegen kommen dauernd die Venus und der Mars in die Quere. Die Orbits der Erd-Trojaner sind deshalb nur für eine Weile stabil. 2020 XL5 what uns irgendwann im 15. Jahrhundert besucht und wird etwa 4000 Jahre lang bleiben. Der einzige andere bisher bekannte Erd-Trojaner ist 2010 TK7, könnte uns noch 10.000 Jahre begleiten. Er bewegt sich momentan ebenfalls in der Nähe von L4, scheint aber um das Jahr 500 herum von L5 “übergesprungen” zu sein.

Beide Asteroiden sind also nicht mit der Erde zusammen entstanden, sondern wurden vermutlich von Jupiter aus dem Hauptgürtel geworfen. Was die Forscher nun wirklich interessieren würde, wären sogenannte primordiale Erdtrojaner. Das sind Asteroiden, die gemeinsam mit der Erde entstanden sind. Ihre Untersuchung könnte viel über die Frühzeit unseres Planeten verraten. Ob es sie gibt, ist unbekannt. Ausgeschlossen ist es nicht. Ihre Beobachtung ist aber wegen der Geometrie schwierig: Sie befinden sich in Sonnennähe und sind deshalb immer nur knapp über dem Horizont zu sehen.

Die Bahn von 2020 XL5, bezogen auf die Sonne. Die Bahn ist relativ stark zur Ekliptik geneigt. Irgendwann wird Venus unseren Asteroiden aus der Ruhe bringen.

Leave a Comment

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

BrandonQMorris
  • BrandonQMorris
  • Brandon Q. Morris, 54, ist Physiker und beschäftigt sich beruflich und privat schon lange mit den spannenden Phänomenen des Alls. So ist er für den redaktionellen Teil eines Weltraum-Magazins verantwortlich und hat mehrere populärwissenschaftliche Bücher über Weltraum-Themen geschrieben. Er wäre gern Astronaut geworden, musste aber aus verschiedenen Gründen auf der Erde bleiben. Ihn fasziniert besonders das „was wäre, wenn“. Sein Ehrgeiz ist es deshalb, spannende Science-Fiction-Geschichten zu erzählen, die genau so passieren könnten – und vielleicht auch irgendwann Realität werden.