Atomkern schluckt Elektronen: Neuer Supernova-Typ gefunden

Am Ende seines Lebens vergehen Sterne, wenn sie nur ausreichend schwer sind, in einem gigantischen Feuerwerk, einer Supernova. Bisher kannte man grob gesagt zwei Wege dorthin. Eine Kernkollaps-Supernova tritt auf, wenn einem massereichen Stern – einem mit mehr als der 10-fachen Sonnenmasse – der Kernbrennstoff ausgeht und sein Eisenkern kollabiert, wobei ein Schwarzes Loch oder ein Neutronenstern entsteht. Fängt hingegen ein Weißer Zwerg, also ein massearmer Stern am Ende seiner Lebenszeit, von einem Begleiter so viel Masse auf, dass er instabil wird, kommt es zu einer thermonuklearen Supernova.

Ein weltweites Team unter der Leitung von Wissenschaftlern der UC Santa Barbara am Las Cumbres Observatorium hat nun den ersten überzeugenden Beweis für eine weitere Art von Sternexplosion entdeckt – eine Elektroneneinfang-Supernova. Tatsächlich wurde das Prinzip dieser Explosion schon vor 40 Jahren theoretisch beschrieben. Reale Beispiele hatten die Astronomen jedoch bisher nicht vorzuweisen. Man nimmt an, dass sie aus den Explosionen massereicher Sterne vom Asymptotischen Riesenast des Russel-Hertzsprung-Diagramms entstehen (sog. SAGB-Sterne), für die es ebenfalls nur wenige Beispiele gibt.

Bei der Elektroneneinfang-Supernovae stellen Sterne die Kernfusion ein, wenn ihre Kerne aus Sauerstoff, Neon und Magnesium bestehen, weil sie nicht schwer genug sind, um Eisen zu fusionieren. Was die meisten Sterne vor dem Kollaps unter ihrer eigenen Schwerkraft bewahrt, ist entweder die laufende Fusion oder, in Kernen, in denen die Fusion aufgehört hat, die Tatsache, dass sich die Atome einfach nicht noch enger packen lassen. Wenn nun allerdings einige der Elektronen im Sauerstoff-Neon-Magnesium-Kern in einem Prozess, der Elektroneneinfang genannt wird, in ihre Atomkerne einschlagen, führt dieser Entzug von Elektronen dazu, dass der Kern des Sterns unter seinem eigenen Gewicht kollabiert – das Ende ist eine Sternenexplosion. Wäre der Stern etwas schwerer gewesen, hätten die Kernelemente zu schwereren Elementen fusionieren können, was sein Leben bis zu einer normalen Kernkollaps-Supernova verlängert hätte. Der Stern ist weder leicht genug, um dem Kollaps seines Kerns zu entgehen, noch ist er schwer genug, um sein Leben zu verlängern und später auf anderem Wege zu sterben.

Das ist die Theorie, die ab 1980 von Ken’ichi Nomoto von der Universität Tokio und anderen formuliert wurde. Im Laufe der Jahrzehnte haben die Theoretiker Vorhersagen formuliert, wonach man bei einer Elektroneneinfang-Supernova und ihren SAGB-Sternvorläufern suchen sollte. Die Sterne sollten viel Masse haben, viel davon verlieren, bevor sie explodieren, und diese Masse in der Nähe des sterbenden Sterns sollte von einer ungewöhnlichen chemischen Zusammensetzung sein. Dann sollte die Elektroneneinfang-Supernova schwach sein, wenig radioaktiven Fallout haben und neutronenreiche Elemente im Kern aufweisen.

Die neue Studie wird von Daichi Hiramatsu geleitet, einem Doktoranden der UC Santa Barbara und des Las Cumbres Observatory (LCO). Hiramatsu ist ein Kernmitglied des Global Supernova Project, einem weltweiten Team von Wissenschaftlern, die Dutzende von Teleskopen rund um und über den Globus nutzen. Das Team fand heraus, dass die Supernova SN 2018zd viele ungewöhnliche Eigenschaften hat, von denen einige zum ersten Mal bei einer Supernova gesehen wurden. Es half, dass die Supernova relativ nahe war – nur 31 Millionen Lichtjahre entfernt – in der Galaxie NGC 2146. Dies ermöglichte es dem Team, Archivbilder zu untersuchen, die das Hubble-Weltraumteleskop vor der Explosion aufgenommen hatte, und den wahrscheinlichen Vorgängerstern zu entdecken, bevor er explodierte. Die Beobachtungen stimmten mit einem anderen kürzlich identifizierten SAGB-Stern in der Milchstraße überein, aber nicht mit Modellen von roten Überriesen, den Vorläufern normaler Eisenkern-Kollaps-Supernovae.

Die Autoren sahen alle veröffentlichten Daten über Supernovae durch und fanden heraus, dass einige zwar einige der Indikatoren aufwiesen, die für Elektroneneinfang-Supernovae vorhergesagt werden, aber nur SN 2018zd alle sechs: einen offensichtlichen SAGB-Vorläufer, einen starken Massenverlust vor der Supernova, eine ungewöhnliche stellare chemische Zusammensetzung, eine schwache Explosion, wenig Radioaktivität und einen neutronenreichen Kern. “Wir begannen mit der Frage: ‘Was ist das für ein komisches Ding?'” sagt Hiramatsu. “Dann untersuchten wir jeden Aspekt von SN 2018zd und erkannten, dass alle diese Aspekte im Elektroneneinfang-Szenario erklärt werden können.”

Die Entdeckung, die in Nature Astronomy veröffentlicht wurde, wirft auch ein neues Licht auf das tausendjährige Geheimnis der Supernova aus dem Jahr 1054 n. Chr., die tagsüber auf der ganzen Welt sichtbar war, bevor sie schließlich zum Krebsnebel wurde. Dieser galt bisher als bester Kandidat für eine Elektroneneinfang-Supernova, aber sein Status war unsicher, auch weil die Explosion fast tausend Jahre zurückliegt. Das neue Ergebnis erhöht das Vertrauen, dass die historische SN 1054 eine Elektroneneinfang-Supernova war. Es erklärt auch, warum diese Supernova im Vergleich zu den Modellen relativ hell war: Ihre Leuchtkraft wurde wahrscheinlich künstlich verstärkt, weil die Supernova-Auswürfe mit Material kollidierten, das vom Vorgängerstern abgeworfen wurde, wie es bei SN 2018zd zu sehen war.

Farbkomposit des Las Cumbres Observatoriums und des Hubble Weltraumteleskops von der Elektroneneinfang-Supernova 2018zd (der große weiße Punkt rechts) und der gastgebenden Starburst-Galaxie NGC 2146 (links). (Bild: NASA/STSCI/J. Depasquale; Las Cumbres Observatory)
Künstlerische Darstellung eines super-asymptotischen Riesenaststerns und seines Kerns aus Sauerstoff, Neon und Magnesium. Dies ist der Endzustand von Sternen um 8-10 Sonnenmassen, deren Kern von Elektronen unter Druck gesetzt wird. Wenn der Kern dicht genug wird, beginnen Neon und Magnesium, Elektronen zu verschlingen, wodurch der Druck im Kern sinkt und eine Kernkollaps-Supernova-Explosion ausgelöst wird. (Bild: S. Wilkinson; Las Cumbres Sternwarte)
Dieses zusammengesetzte Bild des Krebsnebels wurde durch die Kombination von Daten von fünf Teleskopen, die fast die gesamte Breite des elektromagnetischen Spektrums abdecken, erstellt. (Bild: NASA, ESA, NRAO/AUI/NSF und G. Dubner (Universität von Buenos Aires))

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BrandonQMorris
  • BrandonQMorris
  • Brandon Q. Morris, 54, ist Physiker und beschäftigt sich beruflich und privat schon lange mit den spannenden Phänomenen des Alls. So ist er für den redaktionellen Teil eines Weltraum-Magazins verantwortlich und hat mehrere populärwissenschaftliche Bücher über Weltraum-Themen geschrieben. Er wäre gern Astronaut geworden, musste aber aus verschiedenen Gründen auf der Erde bleiben. Ihn fasziniert besonders das „was wäre, wenn“. Sein Ehrgeiz ist es deshalb, spannende Science-Fiction-Geschichten zu erzählen, die genau so passieren könnten – und vielleicht auch irgendwann Realität werden.