Die verborgene Struktur des Kosmos

Stellen Sie sich vor, Sie wären eine menschliche Zelle, säßen vielleicht irgendwo in der Niere, schon seit ihrer Geburt. Die nette Zelle von nebenan fragt sie: “Wie mag der Mensch, in dem wir uns befinden, wohl aussehen?” Wie lautet ihre Antwort? Sie werden sich vermutlich umsehen und dann aus Ihrer Umgebung auf das große Ganze schließen. Und liegen damit völlig falsch.

In einer ähnlichen Situation befindet sich der Mensch, wenn es darum geht, sich die Struktur des Kosmos zu erschließen. Wir können zwar in alle Richtungen blicken, aber selten bis ans Ende. Die Milchstraße, die Galaxis, in der wir leben, versperrt schon einmal einen großen Teil des Blicks. Und dann ist da auch noch die Dunkle Materie, die eigentlich besser Transparente Materie heißen müsste, weil wir durch sie einfach hindurchgucken können, ohne dass uns ihre Anwesenheit bewusst wäre – die aber die normale Materie bei weitem überwiegt.

Wenn Astronomen versuchen, den Aufbau des Universums zu verstehen, kommen sie deshalb durch bloßes Sternezählen nicht weit. Sie versuchen, andere Maßstäbe, andere Dimensionen zu finden, die ebensoviel über die Struktur des Kosmos verraten wie eine bloße Inventur (die objektiv unmöglich ist). Eine solche Dimension ist die Geschwindigkeit, mit der sich Objekte durch das All bewegen. Denn wir wissen, dass Bewegung nicht von allein entsteht. Wenn sich zwei Körper aufeinander zu bewegen, dann liegt das an der Anziehungskraft ihrer Massen. Über die Geschwindigkeit können wir also mehr über den Aufbau des Kosmos erfahren, darüber, wie Massen darin verteilt sind und wie sich der Raum ausdehnt.

Stellt man die bekannten Geschwindigkeiten aller Objekte des Alls mit ihren jeweiligen Entfernungen in einer Grafik zusammen, ergibt sich ein Geschwindigkeits-Netz (V-Web), das einen faszinierenden Blick nicht nur auf die Gegenwart des Kosmos erlaubt, sondern auch in seine Vergangenheit und seine Zukunft. Ein internationales Forscherteam hat jetzt im Astrophysical Journal basierend auf Geschwindigkeitsdaten von 8000 Galaxien ein solches V-Web des Alls vorgestellt. Das Video zeigt dazu ein paar spannende Einblicke:

Sie können sich aber auch selbst im Original-Datenmaterial bewegen und mit der Maus auf Forschertour ins All gehen – probieren Sie es aus.

Das V-Web wird von Knoten-Oberflächen (grau) und Filament-Oberflächen (rot) aufgespannt. Die schwarzen Linien mit Pfeil zeigen lokale Geschwindigkeitsströme innerhalb der Filamente und zu den Knoten. Der Laniakea-Supercluster, ein Attraktor, in dem sich auch unsere Milchstraße befindet, ist blau markiert. Die im Bild dargestellte Region durchmisst etwa 1 Milliarde Lichtjahre. (Bild: Daniel Pomarede, Yehuda Hoffman, R. Brent Tully und Helene Courtois)

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BrandonQMorris
  • BrandonQMorris
  • Brandon Q. Morris, 54, ist Physiker und beschäftigt sich beruflich und privat schon lange mit den spannenden Phänomenen des Alls. So ist er für den redaktionellen Teil eines Weltraum-Magazins verantwortlich und hat mehrere populärwissenschaftliche Bücher über Weltraum-Themen geschrieben. Er wäre gern Astronaut geworden, musste aber aus verschiedenen Gründen auf der Erde bleiben. Ihn fasziniert besonders das „was wäre, wenn“. Sein Ehrgeiz ist es deshalb, spannende Science-Fiction-Geschichten zu erzählen, die genau so passieren könnten – und vielleicht auch irgendwann Realität werden.