Ein gewaltiges Loch im All

Etwa 500 bis 1000 Lichtjahre von der Erde entfernt konzentrieren sich zwei große Massen kalter kosmischer Materie im All. “Kalt”, weil es sich um Materie in molekularer Form handelt. Die Perseus- und die Taurus-Molekülwolke enthalten jeweils so viel Masse, dass sich daraus mindestens 10.000 Sonnen bilden könnten. Trotzdem sind sie in ihrer ganzen Ausdehnung fast unsichtbar, denn sie leuchten nicht. Anders sieht es im Infrarot aus. Wärmestrahlung entsteht hier, weil eine sich bereiche immer weiter konzentrieren und neue Sterne gebären.

Zwischen diesen beiden Wolken befindet sich allerdings nicht etwa normale interstellare Materie. Vielmehr haben Astronomen dort jetzt einen gigantischen Hohlraum im Weltraum entdeckt. Das kugelförmige Loch, das in der Fachzeitschrift Astrophysical Journal Letters beschrieben wird, erstreckt sich über fast 500 Lichtjahre. Das Forscherteam geht davon aus, dass es durch uralte Supernovae entstanden ist, die vor einigen zehn Millionen Jahren ausbrachen.

“Hunderte von Sternen bilden sich oder existieren bereits an der Oberfläche dieser riesigen Blase”, sagt Shmuel Bialy, ein Postdoktorand am Institut für Theorie und Berechnung (ITC) am Zentrum für Astrophysik (CfA), der die Studie leitete. “Wir haben zwei Theorien: Entweder ist eine Supernova im Kern dieser Blase explodiert und hat Gas nach außen gedrückt, wodurch sich das gebildet hat, was wir jetzt als ‘Perseus-Taurus-Supershell’ bezeichnen, oder eine Reihe von Supernovae, die sich über Millionen von Jahren ereignet haben, hat sie im Laufe der Zeit geschaffen.”

Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Perseus- und Taurus-Molekülwolken in Wirklichkeit keine unabhängigen Strukturen im Weltraum sind. Vielmehr bildeten sie sich gemeinsam aus ein und derselben Supernova-Schockwelle. “Dies zeigt, dass der Tod eines Sterns durch eine Supernova eine Kette von Ereignissen auslöst, die letztlich zur Geburt neuer Sterne führen kann”, erklärt Bialy.

Die 3D-Karte der Blase und der sie umgebenden Wolken wurde mit neuen Daten von Gaia erstellt, einem weltraumgestützten Observatorium, das von der Europäischen Weltraumorganisation (ESA) gestartet wurde. Wie genau die 3D-Karten der Perseus- und Taurus-Molekülwolken und anderer nahe gelegener Wolken analysiert wurden, wird in einer weiteren Studie beschrieben, die im Astrophysical Journal (ApJ) veröffentlicht wurde. Beide Studien stützen sich auf eine Staubrekonstruktion, die von Forschern des Max-Planck-Instituts für Astronomie in Deutschland erstellt wurde. Mit den Karten wurden Molekülwolken zum ersten Mal in 3D kartiert. Frühere Bilder der Wolken waren auf zwei Dimensionen beschränkt.

Astronomen haben einen riesigen, kugelförmigen Hohlraum in der Milchstraße entdeckt. Seine Lage ist rechts dargestellt. Eine vergrößerte Ansicht des Hohlraums (links) zeigt die Perseus- und Taurus-Molekülwolken in Blau bzw. Rot. Obwohl sie innerhalb des Hohlraums zu liegen scheinen und sich berühren, zeigen neue 3D-Bilder der Wolken, dass sie den Hohlraum begrenzen und ziemlich weit voneinander entfernt sind. Dieses Bild wurde mit dem WorldWide Telescope erzeugt (Bild: Alyssa Goodman/Zentrum für Astrophysik | Harvard & Smithsonian)

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BrandonQMorris
  • BrandonQMorris
  • Brandon Q. Morris, 54, ist Physiker und beschäftigt sich beruflich und privat schon lange mit den spannenden Phänomenen des Alls. So ist er für den redaktionellen Teil eines Weltraum-Magazins verantwortlich und hat mehrere populärwissenschaftliche Bücher über Weltraum-Themen geschrieben. Er wäre gern Astronaut geworden, musste aber aus verschiedenen Gründen auf der Erde bleiben. Ihn fasziniert besonders das „was wäre, wenn“. Sein Ehrgeiz ist es deshalb, spannende Science-Fiction-Geschichten zu erzählen, die genau so passieren könnten – und vielleicht auch irgendwann Realität werden.