Geisterfahrer im Sonnensystem

Im Sonnensystem herrscht Linksverkehr: Aus Richtung des Nordpols der Ekliptik gesehen, der Ebene also, in der sich das Sonnensystem befindet, bewegen sich alle Planeten und sonstigen Himmelskörper gegen den Uhrzeigersinn, also linksherum. Alle? Beinahe. Die Planeten und Zwegplaneten machen brav mit, doch von den 726.261 derzeit bekannten Asteroiden sind immerhin 82 als Geisterfahrer unterwegs.

Ähnlich wie auf einer Autobahn geht das meist nicht lange gut. Wenn ein Objekt durch irgendeinen dummen Zufall aus der Oortschen Wolke ins Innere des Sonnensystems geschleudert wird und dort wie ein Sonntagsfahrer vom Land jegliche Regeln verletzt, ist damit oft schon nach ein paar Tausend Jahren Schluss. Doch wenn die Falschfahrer ihren Weg schlau wählen, können sie auch mal Millionen Jahre durchhalten.

Der Asteroid 2015 BZ509 ist ein besonders cleverer Vertreter dieser Gruppe, wie Forscher jetzt in Nature beschreiben. Der etwa drei Kilometer große Himmelskörper bewegt sich ungefähr auf der Bahn des Gasriesen Jupiter um die Sonne. Zweimal pro Umlauf begegnet er ihm dabei sogar – ohne dass es zu einer Kollision kommt. Denn 2015 BZ509 hat eine Bahn gewählt, die Astronomen als Trisectrix beschreiben.

Bisher kennt man keinen anderen Asteroiden, der sich auf einer solchen Bahn um die Sonne bewegt, die aus zwei ineinander übergehenden Kreisen besteht: einmal begegnet der Asteroid dem großen Jupiter dadurch näher zur Sonne, ein anderes Mal in größerer Entfernung (siehe Bild). Würde nur der Jupiter mit seiner Gravitation Einfluss nehmen, könnte die Bahn absolut stabil sein. Durch die Einwirkung der anderen Planeten reduziert sich diese Zeit auf ein paar Millionen Jahre.

Woher 2015 BZ509 kommt, weiß man nicht genau. Es könnte sich um einen ehemaligen Kometen handeln, der allerdings nicht aktiv ist. Vermutlich gehört er zu den Damocloiden, dem Halleyschen Kometen ähnliche Himmelskörper, die ihr flüchtiges Material bereits verloren haben. Sie besitzen oft retrograde (linksläufige) Orbits und kommen ursprünglich als Besucher aus der Oortschen Wolke, jener Schutthalde an den äußersten Grenzen des Sonnensystems.

Mögliche Bahnformen retrograder Asteroiden, vom Planeten aus betrachtet. 2015BZ509 bewegt sich wie im Schema ganz rechts. (Bild: Nature)

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BrandonQMorris
  • BrandonQMorris
  • Brandon Q. Morris, 54, ist Physiker und beschäftigt sich beruflich und privat schon lange mit den spannenden Phänomenen des Alls. So ist er für den redaktionellen Teil eines Weltraum-Magazins verantwortlich und hat mehrere populärwissenschaftliche Bücher über Weltraum-Themen geschrieben. Er wäre gern Astronaut geworden, musste aber aus verschiedenen Gründen auf der Erde bleiben. Ihn fasziniert besonders das „was wäre, wenn“. Sein Ehrgeiz ist es deshalb, spannende Science-Fiction-Geschichten zu erzählen, die genau so passieren könnten – und vielleicht auch irgendwann Realität werden.