Ist unsere Erde ein Exot im All?

Wenn Sie an das Gestein denken, aus dem unser Heimatplanet (aber auch alle anderen Gesteinsplaneten im Sonnensystem) aufgebaut ist, fällt Ihnen bestimmt sofort die Tatsache ein, dass Olivin und Orthopyroxen die vorherrschenden Minerale im Erdmantel sind. Wenn nicht, sind Sie wohl kein Geologe. Ich gestehe, ich habe das auch nicht gewusst. Aber ist das eigentlich normal? Bestehen alle Gesteinsplaneten im Universum vor allem aus diesen Mineralien? Das ist eine wichtige Frage, denn andere Gesteinsarten nehmen zum Beispiel mehr Wasser auf als die Gesteine der Erde, was die Entwicklung von Ozeanen beeinflussen würde. Andere schmelzen bei viel niedrigeren Temperaturen und bilden damit eine dickere Kruste (was Plattentektonik erschwert), und wieder andere sind weniger hart, was die Entwicklung von Plattentektonik erleichtern würde.

Aber wie prüft man, was in all den anderen Planeten steckt? Es ist ja schon schwer genug, ein metertiefes Loch in den Mars zu bohren. Aber wenn ein Planet ein paar Lichtjahre entfernt ist, haben wir noch gar keine Chance, einen Rover hinzuschicken. Zum Glück gibt es einen Prozess, der das Innere von Planeten nach außen kehrt. Irgendwann wird er auch die Erde treffen: Die Sonne wird sich zu einem Roten Riesen aufblähen und dabei unseren Planeten schlucken. Was davon übrig ist, können außerirdische Astronomen später kontrollieren, wenn sie den Weißen Zwerg, der mal die Sonne war, spektroskopisch analysieren.

In seinem Licht finden sich nämlich Spuren all der Atomsorten, aus denen die Erde bestand. Genau das haben die Astronomin Siyi Xu vom NOIRLab der NSF in Zusammenarbeit mit dem Geologen Keith Putirka von der California State University getan. Putirka und Xu untersuchten 23 verschmutzte Weiße Zwerge, die sich alle in einem Umkreis von etwa 650 Lichtjahren von der Sonne befinden und bei denen Kalzium, Silizium, Magnesium und Eisen mit Hilfe des W. M. Keck-Observatoriums auf Hawai’i, des Hubble-Weltraumteleskops und anderer Observatorien genau gemessen wurden.

Anhand der gemessenen Häufigkeiten dieser Elemente rekonstruierten die Wissenschaftler dann die Mineralien und Gesteine, die sich aus ihnen bilden würden. Sie fanden heraus, dass diese Weißen Zwerge eine viel größere Bandbreite an Zusammensetzungen aufweisen als die inneren Planeten unseres Sonnensystems, was darauf schließen lässt, dass ihre Planeten – als es sie noch gab – eine deutlich größere Vielfalt an Gesteinsarten aufwiesen. Einige der Zusammensetzungen sind sogar so ungewöhnlich, dass Putirka und Xu neue Namen (wie “Quarz-Pyroxenite” und “Periklas-Dunite”) schaffen mussten, um die neuartigen Gesteinsarten zu klassifizieren, die auf diesen Planeten existiert haben müssen. Die Erde ist demnach wirklich beinahe ein Exot – genau richtig zusammengesetzt, um  Ozeane und Plattentektonik entstehen zu lassen.

Felsige Trümmer, die Teile eines ehemaligen Gesteinsplaneten, der zerbrochen ist, bewegen sich in dieser Abbildung spiralförmig auf einen Weißen Zwerg zu. Bei der Untersuchung der Atmosphären von Weißen Zwergen, die durch solche Trümmer “verschmutzt” wurden, haben eine NOIRLab-Astronomin und ein Geologe exotische Gesteinsarten identifiziert, die in unserem Sonnensystem nicht vorkommen. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass nahe gelegene felsige Exoplaneten noch seltsamer und vielfältiger sein müssen als bisher angenommen. (Bild: NOIRLab/NSF/AURA/J. da Silva, Bildbearbeitung: M. Zamani und M. Kosari (NOIRLab der NSF))

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BrandonQMorris
  • BrandonQMorris
  • Brandon Q. Morris, 54, ist Physiker und beschäftigt sich beruflich und privat schon lange mit den spannenden Phänomenen des Alls. So ist er für den redaktionellen Teil eines Weltraum-Magazins verantwortlich und hat mehrere populärwissenschaftliche Bücher über Weltraum-Themen geschrieben. Er wäre gern Astronaut geworden, musste aber aus verschiedenen Gründen auf der Erde bleiben. Ihn fasziniert besonders das „was wäre, wenn“. Sein Ehrgeiz ist es deshalb, spannende Science-Fiction-Geschichten zu erzählen, die genau so passieren könnten – und vielleicht auch irgendwann Realität werden.