Mit Pendeln auf der Suche nach Dunkler Materie

Aktuelle Experimente, die nach Dunkler Materie fahnden, basieren meist auf der Idee, dass diese sich doch auch irgendwie zeigen müsste, also durch Interaktionen mit normaler Materie. Nun ist jedoch das einzige, was wir über diesen wichtigen Bestandteil des Universums wirklich wissen, die Tatsache, dass eine Wechselwirkung mit normaler Materie über die Gravitation erfolgt. Darüber sind die Forscher überhaupt erst darauf gekommen, dass es Dunkle Materie gibt.

Liegt es vielleicht daran, dass man bisher bloß ergebnislos gefahndet hat? Dann könnte eine Methode helfen, die jetzt Forscher des NIST und ihre Kollegen vorgestellt haben. “Unser Vorschlag stützt sich rein auf die Gravitationskopplung, die einzige Kopplung, von der wir mit Sicherheit wissen, dass sie zwischen Dunkler Materie und gewöhnlicher leuchtender Materie besteht”, sagt Studien-Ko-Autor Daniel Carney. Die Forscher, zu denen auch Jacob Taylor vom NIST, JQI und QuICS, Sohitri Ghosh vom JQI und QuICS sowie Gordan Krnjaic vom Fermi National Accelerator Laboratory gehören, berechnen, dass ihre Methode nach Teilchen aus Dunkler Materie mit einer Mindestmasse suchen kann, die etwa die Hälfte der Masse eines Salzkorns oder etwa das Milliardenfache der Masse eines Protons beträgt.

Da die einzige Unbekannte in dem Experiment die Masse des Teilchens aus Dunkler Materie ist und nicht, wie es sich an gewöhnliche Materie ankoppelt, “findet jemand, der das von uns vorgeschlagene Experiment baut, entweder Dunkle Materie oder schließt alle Kandidaten für Dunkle Materie über einen weiten Bereich möglicher Massen aus”, sagte Carney. Das Experiment wäre empfindlich für Teilchen im Bereich von etwa 1/5.000 eines Milligramm bis zu einigen Milligramm.

Diese Massenskala ist besonders interessant, weil sie die so genannte Planck-Masse umfasst, eine Massenmenge, die allein durch drei grundlegende Naturkonstanten bestimmt wird und etwa 1/5.000 Gramm entspricht. Warum ist die Planck-Masse interessant? Ein Schwarzes Loch von der kleinstmöglichen Größe, dessen Schwartzschild-Radius der Planck-Länge entspräche, hätte die Masse der Planck-Masse. Falls die Dunkle Materie also aus winzigen Schwarzen Löchern aus der Urzeit des Universums besteht, könnte man sie hiermit nachweisen.

Carney, Taylor und ihre Kollegen schlagen zwei Schemata für ihr Experiment der Dunklen Materie mit Gravitation vor. Beide bestehen aus millimetergroße mechanischen Vorrichtungen, die als äußerst empfindliche Gravitationsdetektoren fungieren. Die Sensoren würden auf Temperaturen knapp über dem absoluten Nullpunkt gekühlt, um hitzebedingtes Rauschen zu minimieren, und vor kosmischer Strahlung und anderen Radioaktivitätsquellen abgeschirmt.

In einem Szenario würde eine Unzahl hochempfindlicher Pendel als Reaktion auf den Zug eines vorbeiziehenden Dunklen Materieteilchens jeweils leicht ausgelenkt. In einer anderen Strategie schlagen die Forscher vor, durch ein Magnetfeld schwebende Kugeln oder durch Laserlicht schwebende Kügelchen zu verwenden. Bei diesem Schema wird die Levitation zu Beginn des Experiments abgeschaltet, so dass sich die Kugeln oder Perlen im freien Fall befinden. Die Schwerkraft eines vorbeifliegenden Dunklen Materieteilchens würde die Bahn der frei fallenden Objekte dann nur geringfügig stören.

“Wir verwenden die Bewegung der Objekte als unser Signal”, sagt Taylor. Die Forscher berechnen, dass eine Anordnung von etwa einer Milliarde winziger mechanischer Sensoren, die über einen Kubikmeter verteilt sind, erforderlich ist, um ein echtes Teilchen aus Dunkler Materie von einem gewöhnlichen Teilchen oder von zufälligen elektrischen Störsignalen oder “Rauschen” zu unterscheiden, die in den Sensoren einen Fehlalarm auslösen. Gewöhnliche subatomare Teilchen wie Neutronen (die durch eine Nicht-Gravitationskraft wechselwirken) würden in dem Detektor steckenbleiben. Im Gegensatz dazu erwarten die Wissenschaftler, dass ein Teilchen aus Dunkler Materie, das wie ein Miniatur-Asteroid an der Anordnung vorbeischwirrt, jeden Detektor auf seinem Weg nacheinander durch die Gravitation hin und her schütteln würde. Als Bonus würde die koordinierte Bewegung der Milliarden Detektoren die Richtung offenbaren, in die sich das Teilchen der Dunklen Materie bewegt.

Um so viele winzige Sensoren herzustellen, schlägt das Team vor, dass die Forscher Techniken nutzen könnten, die die Smartphone- und Automobilindustrie bereits zur Herstellung einer großen Anzahl mechanischer Detektoren verwenden. Dank der Empfindlichkeit der einzelnen Detektoren müssen sich die Forscher, die diese Technologie einsetzen, nicht auf die dunkle Seite beschränken. Eine kleinere Version desselben Experiments könnte sowohl die schwachen Kräfte von seismischen Wellen als auch die schwachen Kräfte beim Durchgang gewöhnlicher subatomarer Teilchen wie Neutrinos und einzelner, niederenergetischer Photonen aufspüren.

Dunkle Materie ist bekanntermaßen schwer zu entdecken. Auf der Suche nach direkten Beweisen haben NIST-Forscher vorgeschlagen, eine 3D-Anordnung von Pendeln als Kraftdetektoren zu verwenden, die den Gravitationseinfluss vorbeiziehender Dunkler-Materie-Teilchen aufspüren könnten. (Bild: NIST)

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BrandonQMorris
  • BrandonQMorris
  • Brandon Q. Morris, 54, ist Physiker und beschäftigt sich beruflich und privat schon lange mit den spannenden Phänomenen des Alls. So ist er für den redaktionellen Teil eines Weltraum-Magazins verantwortlich und hat mehrere populärwissenschaftliche Bücher über Weltraum-Themen geschrieben. Er wäre gern Astronaut geworden, musste aber aus verschiedenen Gründen auf der Erde bleiben. Ihn fasziniert besonders das „was wäre, wenn“. Sein Ehrgeiz ist es deshalb, spannende Science-Fiction-Geschichten zu erzählen, die genau so passieren könnten – und vielleicht auch irgendwann Realität werden.