Wie das Universum sich aufheizt

Kurz nach dem Urknall, in der Planck-Ära, war das Universum etwa 1032 Kelvin heiß. Danach dehnte es sich schnell aus und kühlte sich dabei ab, weil sich die Energie über einen immer größeren Raum verteilte. Im Großen und Ganzen sollte sich dieser Prozess eigentlich fortsetzen, solange das Universum expandiert – ein Ende der Ausdehnung ist bisher nicht abzusehen, im Gegenteil.

Aber es gibt einen Prozess, der dieser Abkühlung entgegenwirkt – zumindest temporär. Er ist gut nachvollziehbar. Wenn 10.000 Leute aus einem Fußballstadion nach Hause gehen, kühlt sich die Stimmung zunächst mit der sinkenden Menschendichte ab. Wenn sich jedoch einige Fans zusammenfinden, feiern oder randalieren, dann wird es wieder heißer. Die Strukturbildung ist auch beim Kosmos für die Erwärmung verantwortlich. Wenn Gasmassen sich mit Halos Dunkler Materie zu Galaxien ballen, heizen sich ihre Teilchen auf.

Das haben Astronomen jetzt auch in einer neuen Studie nachgewiesen, die im Astrophysical Journal veröffentlicht wurde. Sie untersucht die thermische Geschichte des Universums in den letzten 10 Milliarden Jahren und fand dabei heraus, dass die mittlere Temperatur des Gases im gesamten Universum in diesem Zeitraum um mehr als das Zehnfache gestiegen ist – auf heute etwa 2 Millionen Kelvin.

“Unsere neue Messung ist eine direkte Bestätigung der bahnbrechenden Arbeit von Jim Peebles – Nobelpreisträger für Physik 2019 -, der die Theorie der Entstehung der großräumigen Struktur im Universum dargelegt hat”, sagt Yi-Kuan Chiang, Hauptautor der Studie. Die großräumige Struktur des Universums bezieht sich auf die globalen Muster von Galaxien und Galaxienhaufen auf Skalen jenseits einzelner Galaxien. Sie entsteht durch den gravitativen Kollaps von Dunkler Materie und Gas.

“Während sich das Universum entwickelt, zieht die Schwerkraft dunkle Materie und Gas im Raum zu Galaxien und Galaxienhaufen zusammen”, sagt Chiang. “Der Widerstand ist heftig – so heftig, dass immer mehr Gas geschockt und aufgeheizt wird.” Die Ergebnisse, so Chiang, zeigten den Wissenschaftlern, wie sie den Fortschritt der kosmischen Strukturbildung bestimmen können, indem sie dem Universum die Temperatur messen.

Die Forscher verwendeten dazu eine neue Methode, die es ihnen erlaubte, die Temperatur von Gasen abzuschätzen, die weiter von der Erde entfernt sind – also weiter in der Zeit zurückliegen – und sie mit Gasen zu vergleichen, die näher an der Erde und in der Nähe der heutigen Zeit sind. Um zu verstehen, wie sich die Temperatur des Universums im Laufe der Zeit verändert hat, verwendeten die Forscher Daten von zwei Missionen, Planck und des Sloan Digital Sky Survey. Sie kombinierten die Daten und bewerteten die Entfernungen der heißen Gase in der Nähe und in der Ferne über die Messung der Rotverschiebung.

Diese Erwärmung steht in keinem Zusammenhang mit der Klimaerwärmung auf der Erde. “Diese Phänomene geschehen auf sehr unterschiedlichen Skalen”, sagt Chiang. “Sie sind überhaupt nicht miteinander verbunden.”

Die Studie wurde in Zusammenarbeit von Forschern des Kavli-Instituts für Physik und Mathematik des Universums, der Johns-Hopkins-Universität und des Max-Planck-Instituts für Astrophysik durchgeführt.

Im Laufe der Entwicklung des Universums sind die Materiekonzentrationen von Gashalos umgeben, die immer heißer und größer werden. (Bild: D. Nelson / Illustris Collaboration)

Leave a Comment

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

BrandonQMorris
  • BrandonQMorris
  • Brandon Q. Morris, 54, ist Physiker und beschäftigt sich beruflich und privat schon lange mit den spannenden Phänomenen des Alls. So ist er für den redaktionellen Teil eines Weltraum-Magazins verantwortlich und hat mehrere populärwissenschaftliche Bücher über Weltraum-Themen geschrieben. Er wäre gern Astronaut geworden, musste aber aus verschiedenen Gründen auf der Erde bleiben. Ihn fasziniert besonders das „was wäre, wenn“. Sein Ehrgeiz ist es deshalb, spannende Science-Fiction-Geschichten zu erzählen, die genau so passieren könnten – und vielleicht auch irgendwann Realität werden.