Wie erkennt man eine nackte Singularität?

Wenn ein Stern kollabiert, der schwer genug ist, zieht seine Gravitation sämtliche Materie auf so kleinem Raum zusammen, dass die bekannten Gesetze der Physik nicht mehr gelten. Forscher sprechen von einer Singularität. Allerdings verbirgt sich ein solches Loch im Raum stets vor neugierigen Beobachtern – in seinem Umkreis bildet sich ein so genannter Ereignishorizont, hinter dessen Vorhang wir nicht blicken können. Deshalb heißen diese Singularitäten auch Schwarzes Loch.

Aber passiert das wirklich immer? Das ist eine ungeklärte Frage. Die von Roger Penrose aufgestellte Hypothese des kosmischen Zensors, der alle Singularitäten vor unserem Blick verbirgt, geht zwar davon aus, ist aber nicht bewiesen – und für bestimmte Spezialfälle sogar widerlegt. Aus der Allgemeinen Relativitätstheorie ergibt sich jedenfalls kein Verbot nackter Singularitäten. Tatsächlich scheint es unter bestimmten Anfangsbedingungen möglich zu sein, dass der Ereignishorizont nicht schnell genug entsteht. Eine ganz andere (und ebenfalls ungeklärte) Frage ist, wie ein Beobachter eine nackte Singularität sehen bzw. bemerken würde.

Dazu schildern jetzt indische Forscher des Tata Institute of Fundamental Research in Physical Review D eine interessante Strategie, die auf einem Gyroskop, einem Kreiselinstrument, basiert, das ein Astronaut in der Nähe des unbekannten Objekts platzieren müsste. Verändert sich dessen Drehrichtung plötzlich ganz wild, handelt es sich um ein Schwarzes Loch, anderenfalls um eine nackte Singularität.

Doch der Astronaut muss sich nicht unbedingt in Gefahr bringen: eine gesündere Alternative besteht darin, Materie zu beobachten, die von dem Objekt angezogen wird. Denn auch dessen Bahnebene (die anhand der abgegebenen Röntgenstrahlung messbar ist) muss sich bei einem Schwarzen Loch weitaus stärker und schneller verändern als bei einer nackten Singularität, wo die Ebene sogar zur Ruhe kommen könnte. Leider erschwert das die Suche nach nackten Singularitäten, denn nur ein Schwarzes Loch erbringt hier ein positives Signal.

Ein Schwarzes Loch (links) und eine nackte Singularität (rechts). Der gestrichelte Kreis stellt den Ereignishorizont dar, die Pfeile symbolisieren die Ausbreitung von Licht. (Grafik: Sudip Bhattacharyya, Pankaj Joshi)

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BrandonQMorris
  • BrandonQMorris
  • Brandon Q. Morris, 54, ist Physiker und beschäftigt sich beruflich und privat schon lange mit den spannenden Phänomenen des Alls. So ist er für den redaktionellen Teil eines Weltraum-Magazins verantwortlich und hat mehrere populärwissenschaftliche Bücher über Weltraum-Themen geschrieben. Er wäre gern Astronaut geworden, musste aber aus verschiedenen Gründen auf der Erde bleiben. Ihn fasziniert besonders das „was wäre, wenn“. Sein Ehrgeiz ist es deshalb, spannende Science-Fiction-Geschichten zu erzählen, die genau so passieren könnten – und vielleicht auch irgendwann Realität werden.