Wie man einen einzelnen Stern wiegt
Stellen Sie sich vor, Sie sind nachts auf freiem Feld unterwegs. Wolken verdecken die Sterne, der Mond ist noch nicht aufgegangen, Da sehen Sie vor sich ein Licht. Es leuchtet nicht sehr hell, seine Umgebung bleibt im Schatten. Was haben Sie da vor sich? Ein Glühwürmchen direkt vor Ihnen, eine Kerze in 100 Metern Entfernung oder ein Moped, das in einem Kilometer auf Sie zukommt? Ohne weitere Hinweise ist es unmöglich, das Objekt zu bestimmen, geschweige denn seine Masse zu messen.
Als Astronom haben Sie ähnliche Probleme. Nun, Sie können das Lichtspektrum analysieren (das wäre auf dem Feld auch möglich). Dadurch erfahren Sie, was da leuchtet, Wasserstoff, Helium und so weiter, und das bringt sie dann auf einen bestimmten Typ von Stern. Aber damit kennen sie immer noch nicht automatisch sein Gewicht.
Lange Zeit gab es tatsächlich genau einen Weg, die Masse eines Sterns direkt zu bestimmen. Dazu benötigte man einen zweiten Stern. Wenn zwei Sterne sich in einem Binärsystem umkreisen, kann man anhand ihrer Umlaufbahnen mit Hilfe der Keplerschen Gesetze ihre Massen berechnen. Das ist nicht trivial, aber schon Abiturstoff.
Einzelne Sterne kann man auf diese Weise nicht wiegen. Doch seit diesem Jahr gibt es Alternativen. Die erste fanden Astronomen im Frühsommer: Sie nutzten die Ablenkung des Lichts eines Hintergrundsterns, wenn sich der (zu wiegende) Vordergrundstern am Himmel scheinbar an ihm vorüberbewegt. Man nutzt also wie bei der klassischen Methode die Gravitation des Sterns, nur nicht die Newton-Variante, sondern die Einsteinsche, bei der das Gravitationspotenzial des Vordergrundsterns das Licht des Sterns dahinter um einen bestimmten Betrag ablenkt, sodass sich dessen Position ein wenig verändert.
Weitere Methoden gehen auf indirekte Weise vor. Sie nutzen die Tatsache, dass Sterne sich nach bestimmten Mustern entwickeln. Farbe und Helligkeit eines Sterns sagen zum Beispiel auch etwas über seine Größe und Masse, doch diese Methode ist sehr ungenau. Ganz neu ist die Asteroseismologie, bei der man sich in minimalen Helligkeitsveränderungen zeigende Dichtewellen auf der Oberfläche von Sternen zu messen versucht. Das Verfahren ist recht genau, aber nur bei einer kleinen Menge von Sternen anwendbar.
Forscher der Vanderbilt University haben nun ein neues Verfahren vorgestellt, das Daten der Gaia-Mission der ESA und der kommenden TESS-Mission der NASA nutzt. Zum Test des Verfahrens haben sie es mit auf andere Weise ermittelten Daten von bekannten Sternen getestet und erreichen Fehler von unter 25 Prozent. Mit den exakten (künftigen) Daten von TESS sollten die Fehler unter zehn Prozent liegen. Das Verfahren ist für zahlreiche Sterne in jedem Ast des Hertzsprung-Russel-Diagramms anwendbar und liefert außerdem auch den Radius des Sterns.