Zentauren: Sie sind seit langem unter uns

Die ganze Zeit warten wir auf außerirdische Besucher – doch in Wirklichkeit sind sie längst unter uns. Nein, das wird keine Episode von “Men in Black”. Es ist auch keine Science Fiction, sondern Wirklichkeit. Als die Astronomen 2017 1I/ʻOumuamua entdeckten, war die Überraschung groß: ein interstellares Objekt, das nicht in unserem Sonnensystem geboren wurde, das hatten wir noch nicht gesehen. Oder doch?

Doch. Schon seit einiger Zeit kennen die Astronomen Asteroiden, die die Sonne nicht in der Ebene der Planeten umkreisen (der Ekliptik), sondern auf Bahnen, die mehr oder weniger schräg dazu stehen. Nun ist das komplette Sonnensystem aus einer flachen Staub- und Gasscheibe entstanden. Also müssten sich alle zu ihm gehörenden Objekte auch innerhalb dieser Scheibe bewegen. Es sei denn, irgendein Zusammenstoß oder eine gravitationelle Interaktion hat ihre Bahnen irgendwann in der Geschichte des Sonnensystems verändert.

Es wäre allerdings auch möglich, dass solche Objekte gar nicht in der protoplanetaren Scheibe entstanden sind. Wenn sie schon vor der Geburt der Sonne aus einem anderen System zu uns kamen, haben sie den Planeten aus ihrer verdrehten Perspektive beim Wachsen zuschauen können, ohne davon selbst nennenswert beeinflusst zu werden.

Nachweisen lässt sich so etwas, indem man in Simulationen die Bahn eines Objekts in die Vergangenheit zurückrechnet. Bezieht man den Einfluss aller Planeten ein, müsste sich das Objekt, falls es kein “Außerirdischer” ist, irgendwann in der Nähe der Ekliptik bewegt haben. Lässt sich seine Bahn jedoch nicht auf die protoplanetare Scheibe zurückführen, haben wir ein Alien vor uns, ein interstellares Objekt, das demnach auch schon deutlich älter als die Sonne sein müsste.

Das haben Forscher für insgesamt 20 Objekte mit sehr exzentrischen Bahnen getestet, bei denen die Inklination über 60 Grad lag, zum größten Teil bekannten Zentauren (Asteroiden bzw. Kometen, die zwischen Jupiter und Neptun um die Sonne kreisen). Das Ergebnis ist eindeutig: Alle Objekte müssten auch vor 4,5 Milliarden Jahren schon auf ähnlichen Orbits um das künftige Sonnensystem gekreist sein – es handelt sich offenbar um interstellare Besucher, die schon bei unserer Geburt anwesend waren. Ein solches Objekt mit einer Raummission zu besuchen, könnte uns demnach Auskunft über die Verhältnisse in anderen Sonnensystemen geben, ohne dass wir auf den nächsten Kurz-Besuch warten müssen.

Das Sonnensystem in seiner Entstehungsphase und ein Centauren-Orbit (Bild: Maria Helena Moreira Morais)

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BrandonQMorris
  • BrandonQMorris
  • Brandon Q. Morris, 54, ist Physiker und beschäftigt sich beruflich und privat schon lange mit den spannenden Phänomenen des Alls. So ist er für den redaktionellen Teil eines Weltraum-Magazins verantwortlich und hat mehrere populärwissenschaftliche Bücher über Weltraum-Themen geschrieben. Er wäre gern Astronaut geworden, musste aber aus verschiedenen Gründen auf der Erde bleiben. Ihn fasziniert besonders das „was wäre, wenn“. Sein Ehrgeiz ist es deshalb, spannende Science-Fiction-Geschichten zu erzählen, die genau so passieren könnten – und vielleicht auch irgendwann Realität werden.