Zwei Werte für eine Konstante – unmöglich, aber wahr

Das Universum expandiert, darüber sind sich die Astronomen seit langem einig. Edwin Hubble, ein amerikanischer Astronom, entdeckte als erster, dass das Licht ferner Galaxien uns in den roten Bereich verschoben erreicht – dass diese sich also von uns entfernen. Wie schnell der Kosmos aktuell expandiert, wird zu Hubbles Ehren von der Hubble-Konstante ausgedrückt. Sie hat einen Wert von ungefähr (dazu später mehr) 70 Kilometer pro Sekunde und Megaparsec. Wenn ein Objekt also eine Million Parsec (3,26 Millionen Lichtjahre) weiter von uns entfernt ist als ein anderes, bewegt es sich 70 Kilometer pro Sekunde schneller als das zweite Objekt von uns weg.

Messen kann man dies auf verschiedenen Wegen. Weltraumteleskope wie Hubble oder Gaia messen zum Beispiel die Helligkeit bestimmter veränderlicher Sterne, bei denen man die Beziehung zwischen Leuchtkraft-Veränderung und Leuchtkraft kennt. Aus diesen sogenannten Standard-Kerzen lässt sich die Entfernung der Galaxien berechnen, in denen sie sich befinden – und schließlich die Geschwindigkeit ermitteln, mit denen sie sich von uns entfernen.

Eine andere Technik vermisst die kosmische Hintergrundstrahlung, die aus der Frühzeit des Universums kommt, und ermittelt daraus die heutige Expansionsrate. Diese Technik wendete z.B. der ESA-Satellit Planck an. Die Ergebnisse sind ziemlich genau. Sie basieren auf dem aktuellen, immer wieder bestätigten Standardmodell des Universums und ergeben einen Wert von 67,36 km/s*MPc. Geht man jedoch den Weg von Hubble, Gaia und anderen Teleskopen, erhält man einen deutlich größeren Wert.

Zwei Werte für die gleiche Konstante – das kommt nicht in Frage. Lange haben die Forscher gehofft, dass es sich um einen Messfehler handeln könnte. Denn das Fehlerintervall bei den  Sternvermessungen war immer relativ groß; zunächst hatte es immerhin 10 Prozent betragen. Aber den Astronomen ist es über die Jahre gelungen, immer genauere Werte zu erhalten. Nun sind sie, wie sie gerade ankündigten, bei einem Wert von 74,03 km / s * MPc und bei einem Fehlerintervall von 1,9 Prozent angekommen. Das bedeutet, dass die Wahrscheinlichkeit, dass die beiden Werte zufällig abweichen, nur noch 1:100.000 beträgt. Es muss also mehr dahinterstecken – oder die Astronomen haben einfach ziemliches Pech. Was die Ursache sein könnte, ist derzeit unbekannt. Aber es bedeutet, dass das Standardmodell nicht so komplett korrekt ist, wie die Forscher denken.

Der neue, genauere Wert für die Hubble-Konstante beruht auf Messungen variabler Sterne in der 162.000 Lichtjahre entfernten HII-Region LHA 120-N11 in der Großen Magellanschen Wolke (Bild: NASA, ESA. Acknowledgement: Josh Lake)

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BrandonQMorris
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  • Brandon Q. Morris, 54, ist Physiker und beschäftigt sich beruflich und privat schon lange mit den spannenden Phänomenen des Alls. So ist er für den redaktionellen Teil eines Weltraum-Magazins verantwortlich und hat mehrere populärwissenschaftliche Bücher über Weltraum-Themen geschrieben. Er wäre gern Astronaut geworden, musste aber aus verschiedenen Gründen auf der Erde bleiben. Ihn fasziniert besonders das „was wäre, wenn“. Sein Ehrgeiz ist es deshalb, spannende Science-Fiction-Geschichten zu erzählen, die genau so passieren könnten – und vielleicht auch irgendwann Realität werden.