Forscher finden superschweres Schwarzes Loch aus der Frühzeit des Universums

800 Millionen Sonnen. Wer Sagittarius A*, das Schwarze Loch im Zentrum der Milchstraße, für einen schweren Brocken gehalten hat, multipliziere dieses Ungetüm mit 200 – und erhält die Masse des Schwarzen Lochs im Zentrum des Quasars ULAS J134208.10+092838.61 (seine Freunde, zu denen naturgemäß viele Astronomen gehören, dürfen ihn auch kurz J1342+0928 nennen). Quasare sind Radiogalaxien, aktive Geschwister der Milchstraße, die besonders im Radiobereich so große Energiemengen ausstoßen, dass man sie aus sehr großer Entfernung von der Erde aus beobachten kann.

J1342+0928 treibt das auf die Spitze. Der Quasar stellt mit einer Rotverschiebung von z=7,54 einen neuen Rekord auf und befindet sich damit nah am Rand des beobachtbaren Universums. Doch das ist es nicht, was die Forscher an der so hell wie 400 Billionen Sonnen leuchtenden Galaxie so spannend finden: Weil ihr Licht so lange braucht, bis es uns erreicht, können wir damit bis in die Frühzeit des Kosmos zurückblicken. Als das Licht, das uns jetzt erreicht hat, ausgesandt wurde, hatte das Universum mit 690 Millionen Jahren gerade fünf Prozent seines heutigen Alters.

Wenn man es jetzt als erwachsen betrachtet, war es damals ein Teenager, mitten in der Pubertät und wichtigen Veränderungen unterworfen, zumindest, wenn das Standardmodell der Evolution des Universums stimmt. Tatsächlich fanden die Astronomen wichtige Spuren davon. Mit hoher Wahrscheinlichkeit konnten sie im Spektrum des Quasars einen signifikanten Anteil neutralen Wasserstoffs messen. Als die Riesengalaxie in ihrer von uns erst heute zu bestaunenden Pracht leuchtete, befand sich das All nämlich in der Epoche der Reionisation. Das in der vorhergehenden Ära der Rekombination neutral gewordene Wasserstoffgas wurde dabei durch die neu aufgeflammten Sterne und Galaxien wie J1342+0928 seiner Elektronen beraubt, also ionisiert. Dieser Prozess war offenbar 690 Millionen Jahre nach dem Urknall noch nicht abgeschlossen, wie die Forscher in ihrem Paper in Nature zeigen.

Dass schon, vergleichsweise kurz nach dem Urknall, damals ein derart massives Schwarzes Loch existierte, liefert den Kosmologen auch neue Hinweise zur Entstehung und zum Wachstum Schwarzer Löcher. J1342+0928 ist nur möglich, wenn bereits in sehr früher Zeit Schwarze Löcher mit Massen von wenigstens 10.000 Sonnen entstanden sind – oder wenn die Schwarzen Löcher der Frühzeit anders gewachsen sind, als man bisher vermutete. Eigentlich gibt es für ihre Größenzunahme nämlich eine Grenze, die sogenannte Eddington-Grenze. Wenn zu viel Material auf ein Schwarzes Loch einstürzt, verschluckt sich dieses quasi und kann für einige Zeit gar nichts mehr aufnehmen. Es gibt aber auch Modelle, in denen eine Massenzunahme oberhalb der Eddington-Grenze möglich ist.

J1342+0928, der bisher am weitesten entfernte Quasar (künstlerische Darstellung, Bild: Robin Dienel, courtesy of the Carnegie Institution for Science)
Der Quasar ist von einer Blase aus neutralem Wasserstoff umgeben, wie sein Spektrum zeigt. Die Reionisation ging von den ersten, im jungen Universum aufleuchtenden Objekten aus. (Bild: Robin Dienel, courtesy of the Carnegie Institution for Science)

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BrandonQMorris
  • BrandonQMorris
  • Brandon Q. Morris, 54, ist Physiker und beschäftigt sich beruflich und privat schon lange mit den spannenden Phänomenen des Alls. So ist er für den redaktionellen Teil eines Weltraum-Magazins verantwortlich und hat mehrere populärwissenschaftliche Bücher über Weltraum-Themen geschrieben. Er wäre gern Astronaut geworden, musste aber aus verschiedenen Gründen auf der Erde bleiben. Ihn fasziniert besonders das „was wäre, wenn“. Sein Ehrgeiz ist es deshalb, spannende Science-Fiction-Geschichten zu erzählen, die genau so passieren könnten – und vielleicht auch irgendwann Realität werden.