Ganymed erwacht: Rund um den Jupitermond zwitschert und zirpt es

Die Sonne erzeugt im Strahlungsgürtel der Erde Radiowellen niedriger Frequenz. Hört man sie sich im Lautsprecher an (und das taten die Forscher bei ihrer Entdeckung in den 1960er-Jahren), klingen sie wie das Zwitschern und Zirpen eines Vogelschwarms. Diese speziellen Wellen bekamen deshalb den Namen Chorwellen (englisch chorus waves). Später fand man heraus, was die Chorwellen bewirken: Sie eignen sich besonders gut zur Energieübertragung auf die Elektronen des Sonnenwinds. Die geladenen Teilchen, die von ihnen beschleunigt  wurden, können dann beim Eindringen in die Erdatmosphäre besonders gut Polarlichter hervorrufen. Speziell mit dem Phänomen der pulsierenden Polarlichter in Form flackernder, hunderte Kilometer großer Himmelsareale stehen die Chorwellen offenbar in engem Zusammenhang.

Aber es gibt sie nicht nur auf der Erde. Jeder Himmelskörper, der ein eigenes Magnetfeld besitzt, kann auch von Chorwellen umgeben sein. In einer aktuellen Studie in Nature Communications beschreibt ein internationales Forscherteam jetzt außergewöhnliche „chorus waves“ um andere Planeten unseres Sonnensystems. Das Team unter der Leitung von Yuri Shprits vom GFZ und der Universität Potsdam berichtet nach der Auswertung von Daten der Raumsonde Galileo, dass die Intensität der Chorwellen um Jupiter in der Nähe des Mondes Ganymed um den Faktor eine Million intensiver als der dortige Durchschnitt ist und immerhin noch hundertmal intensiver als in der Nähe des Jupitermondes Europa.

»Die Beobachtungen haben uns überrascht und stellen uns auch vor ein Rätsel, wie ein Mond mit einem eigenen Magnetfeld elektromagnetische Wellen dermaßen verstärken kann«, sagt Yuri Shprits. Anders als die Erde mit ihrem eigenen Magnetfeld bewegen sich Ganymed und Europa innerhalb des gigantischen Magnetfeldes von Jupiter. Dieser Umstand spielt nach Ansicht der Autoren eine Schlüsselrolle bei der Wellenverstärkung. Das Jupiter-Magnetfeld ist das stärkste in unserem Sonnensystem und übertrifft das der Erde um den Faktor 20.000.

Dass der Jupitermond Ganymed ein eigenes Magnetfeld hat, wurde von Margaret Kivelson und ihrem Team von der UCLA  entdeckt, die Plasmawellen in seiner Umgebung hat Don Gurnetts Gruppe an der University of Iowa nachgewiesen. Doch bis jetzt war unklar, ob es sich bei den Wellen um Zufallsereignisse handelte oder ob so eine Verstärkung die Regel ist, so die Pressemitteilung der GFZ. Zumindest auf der Erde spielen die Chorwellen eine wichtige Rolle bei der Entstehung von „Killer-Elektronen“, die Satelliten und deren Übertragungstechnik empfindlich stören können. Womöglich ist das auch rund um Jupiter der Fall.

Die japanische ERG-Sonde untersucht Chorwellen im Magnetfeld der Erde (2018 ERG science team)
Spuren der Jupitermonde Ganymed (Zentrum), Io (links) und Europa (rechts) in einer Aurora des Jupiter (Bild: NASA and the Hubble Heritage Team (STScI/AURA) Acknowledgment: NASA/ESA, John Clarke (University of Michigan))
Jupitermond Ganymed auf Bildern von Voyager und Galileo (Bild: USGS Astrogeology Science Center/Wheaton/NASA/JPL-Caltech)

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BrandonQMorris
  • BrandonQMorris
  • Brandon Q. Morris, 54, ist Physiker und beschäftigt sich beruflich und privat schon lange mit den spannenden Phänomenen des Alls. So ist er für den redaktionellen Teil eines Weltraum-Magazins verantwortlich und hat mehrere populärwissenschaftliche Bücher über Weltraum-Themen geschrieben. Er wäre gern Astronaut geworden, musste aber aus verschiedenen Gründen auf der Erde bleiben. Ihn fasziniert besonders das „was wäre, wenn“. Sein Ehrgeiz ist es deshalb, spannende Science-Fiction-Geschichten zu erzählen, die genau so passieren könnten – und vielleicht auch irgendwann Realität werden.