Komplexe organische Moleküle aus der Tiefe des Enceladus

Die Cassini-Sonde, die uns die spektakulären Bilder der Tiger Stripes des Saturnmondes Enceladus schickte und die Eisfontänen dort mehrfach durchflog, ist längst im Saturn abgestürzt. Trotzdem bringen Forscher immer wieder neue Details aus den von ihr gesendeten Daten ans Tageslicht. Jetzt hat es ein Forscherteam, geleitet von Frank Postberg und Nozair Khawaja von der Universität Heidelberg, geschafft, Fragmente komplexer organischer Moleküle in den von den Eis-Geysiren ausgestoßenen Teilchen zu identifizieren.

»Es handelt sich um die erstmalige Entdeckung komplexer organischer Moleküle auf einer extraterrestrischen Wasserwelt«, sagt Postberg. »Wir haben große Fragmente gefunden, die für sehr große Moleküle typische Strukturen besitzen«, fügt Khawaja hinzu. »Diese komplexen Moleküle enthalten ein Netzwerk, das oft aus Hunderten von Wasserstoff-, Kohlenstoff- und Stickstoff-Atomen besteht, die ring- und kettenartige Unterstrukturen bilden.«

Die Fragmente von bis zu 200 Einheiten molekularer Masse bildeten sich, als die Eiskörner mit etwa 30.000 km/h auf die Staub-Analyse-Instrumente von Cassini trafen. Vor dem Zusammenstoß, glauben die Forscher, müssen sie noch weitaus umfangreichere Moleküle gebildet haben, die tausende Molekularmassen schwer waren. Bisher hatte man in den Daten von Cassini lediglich leichte Moleküle gefunden. Solch komplexe Strukturen können sich nur durch bestimmte chemische Prozesse bilden – darunter solche, die im Zusammenhang mit Leben stehen. Außerdem könnten sie aus der Frühzeit des Sonnensystems stammen oder durch hydrothermale Aktivitäten gewachsen sein.

»Ich glaube, dass sie hydrothermaler Herkunft sind. Bei den hohen Drücken und warmen Temperaturen, die wir im aktiven Kern von Enceladus erwarten, könnten solche Moleküle entstehen«, sagt Postberg. Die im Kern erzeugten Moleküle könnten dann über hydrothermale Quellen in den Ozean unter dem Eis gelangt sein – ähnlich wie an hydrothermalen Quellen am Meeresgrund der Erde, die dann zur Entwicklung von Leben geführt haben könnten.

In den Erdozeanen werden organische Substanzen von Luftbläschen an die Oberfläche gebracht. Ähnlich könnte das auch auf Enceladus passieren, wo die organischen Moleküle eine dünne Schicht an der Oberfläche gleich unter dem Eis bilden würden. Leider reichen die Cassini-Daten nicht, um diese Frage endgültig zu klären. Dazu wird eine weitere Expedition zu Enceladus nötig sein. »Wenn wir Enceladus noch einmal besuchen könnten, würden wir Instrumente mitnehmen, die nicht nur die Fragmente, sondern die kompletten Moleküle untersuchen und uns genau sagen, woher sie kommen und wie sie entstanden«, sagt Postberg.

Wie die organischen Moleküle aus dem Inneren des Eismondes an die Oberfläche gelangen (Bild: ESA; F. Postberg et al (2018))
Diese Aufnahme der Eis-Geysire am Südpol des Enceladus hat Cassini schon am 30. November 2010 angefertigt (Bild: NASA/JPL-Caltech/Space Science Institute)

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BrandonQMorris
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  • Brandon Q. Morris, 54, ist Physiker und beschäftigt sich beruflich und privat schon lange mit den spannenden Phänomenen des Alls. So ist er für den redaktionellen Teil eines Weltraum-Magazins verantwortlich und hat mehrere populärwissenschaftliche Bücher über Weltraum-Themen geschrieben. Er wäre gern Astronaut geworden, musste aber aus verschiedenen Gründen auf der Erde bleiben. Ihn fasziniert besonders das „was wäre, wenn“. Sein Ehrgeiz ist es deshalb, spannende Science-Fiction-Geschichten zu erzählen, die genau so passieren könnten – und vielleicht auch irgendwann Realität werden.