Gibt’s doch: Eine Galaxie ohne Dunkle Materie

Dass es so etwas wie Dunkle Materie geben könnte, ist den Astronomen zuerst aufgefallen, weil sie die Rotation von Galaxien beobachtet haben. Diese drehen sich so um ihr Zentrum, dass der Einfluss der sichtbaren Materie nicht genügt, durch Gravitation die Bewegung zu erklären. Tatsächlich zeigte sich bald, dass jede Galaxie eine ganze Menge Dunkler Materie birgt. Diese Gemeinsamkeit hat die Forscher sogar dazu bewogen, der Dunklen Materie eine wichtige Rolle bei der Entstehung von Galaxien zuzuweisen: Erst gab es demnach einen Haufen Dunkler Materie, das zieht Gas an, aus dem sich Sterne bilden, bis sich schließlich an dieser Stelle ein Sternhaufen zusammengefunden hat.

Umso größer ist nun der Schock, den NGC1052-DF2 in der Astronomen-Gemeinde ausgelöst hat. Denn diese Galaxie ist überraschend arm an Dunkler Materie, vielleicht enthält sie auch gar keine. Die Masse ihrer sichtbaren Sterne genügt nämlich völlig, ihre Bewegung zu erklären. NGC1052-DF2 befindet sich etwa 65 Millionen Lichtjahre von der Erde entfernt. Die Galaxie ist relativ groß, sogar größer als die Milchstraße, aber trotzdem lichtschwach, denn sie enthält 250 mal weniger Sterne als unsere Heimatgalaxis. Sie gehört deshalb zu einem Galaxientyp, den man erst seit 2015 kennt: zu den ultradiffusen Galaxien. Sie besitzt kein zentrales Schwarzes Loch und ist etwa zehn Milliarden Jahre alt. Im Universum existieren überraschend viele solcher Exemplare.

Vielleicht gibt es da ja einen Zusammenhang, vermuten die Forscher nun. Sie durchmustern gerade ähnliche Galaxien, ob dort ebenfalls ein Mangel an Dunkler Materie herrscht. Bei dreien besteht bereits ein begründeter Verdacht, der noch erhärtet werden muss. Ursächlich dafür könnte auch irgendeine kosmische Katastrophe in NGC1052-DF2 gewesen sein, die Gas und Dunkle Materie aus der Galaxie geblasen und damit die Sternentstehung beendet hat. Vielleicht ist auch die riesige elliptische Galaxie NGC1052 schuld, die sich in kosmischer Nähe befindet und womöglich bei ihrer Geburt den kleineren Nachbarn aus dem Gleichgewicht gebracht hat.

Interessanterweise ist die Entdeckung einer Galaxie ohne Dunkle Materie eine Bestätigung für deren Existenz und eine Widerlegung alternativer Theorien wie der MOND (Modifizierte Newtonsche Dynamik). Sie zeigt nämlich, dass Dunkle Materie von normaler Materie zu trennen ist und mit ihr nur über die Gravitation interagiert.

Die ultradiffuse Galaxie NGC1052-DF2 beherbergt ungewöhnlich viele sehr helle Sternhaufen (rechts)
(Bild: W. M. KECK OBSERVATORY/GEMINI OBSERVATORY/NSF/AURA/J. MILLER/J. POLLARD)

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BrandonQMorris
  • BrandonQMorris
  • Brandon Q. Morris, 54, ist Physiker und beschäftigt sich beruflich und privat schon lange mit den spannenden Phänomenen des Alls. So ist er für den redaktionellen Teil eines Weltraum-Magazins verantwortlich und hat mehrere populärwissenschaftliche Bücher über Weltraum-Themen geschrieben. Er wäre gern Astronaut geworden, musste aber aus verschiedenen Gründen auf der Erde bleiben. Ihn fasziniert besonders das „was wäre, wenn“. Sein Ehrgeiz ist es deshalb, spannende Science-Fiction-Geschichten zu erzählen, die genau so passieren könnten – und vielleicht auch irgendwann Realität werden.