Nutzen Bakterien Wolfram als interstellaren Strahlungsschutz?
Wolfram ist ein Schwermetall mit beeindruckenden Eigenschaften: Das weißglänzende Material schmilzt erst bei 3422 Grad Celsius und verdampft sogar erst bei 5930 Grad. Es widersteht fast allen Säuren und hat beinahe die Dichte von Gold. Interessant ist auch, dass seine natürlichen Isotope allesamt instabil sein müssten. Ihre Halbwertszeit liegt allerdings im Bereich von Trillionen Jahren, sodass der Zerfall in unseren Zeitmaßstäben nicht messbar ist.
Der Mensch hat aus Wolfram Glühwendeln für Glühlampen und Leuchtstoffröhren konstruiert. In der Kohlenstoff-Verbindung Wolframcarbid ist es fast so hart wie Diamant, deshalb ist es in der Werkzeugtechnik unabdingbar. Aber auch Mikroorganismen wissen anscheinend mit dem Stoff etwas anzufangen. Diese Organismen, etwa thermophile Archaeaen oder zellkernlose Organismen, haben sich an die extremen Bedingungen einer Wolfram-Umgebung angepasst und fanden einen Weg, Wolfram zu assimilieren. Das hat ein Team um Tetyana Milojevic von der Fakultät für Chemie an der Universität Wien genauer untersucht.
Die Forscher haben den extrem hitze- und säureliebenden Mikroorganismus Metallosphaera sedula untersucht, den sie mit speziellen wolframhaltigen Verbindungen gezüchtet haben. Dabei handelt es sich um sogenannte Polyoxometallate (POMs). Sie gelten als anorganische Zellen, die chemische Prozesse im Vorfeld erleichtern und dabei auch an Leben erinnernde Eigenschaften besitzen. Aber sind die POMs auch für lebenserhaltende Prozesse etwa bei der Atmung relevant? »Am Beispiel Metallosphaera sedula, das in heißer Säure gedeiht und durch Metalloxidation atmet, haben wir untersucht, ob komplexe anorganische Systeme, die auf Wolfram-POM-Clustern basieren, das Wachstum von M. sedula aufrechterhalten und die Zellproliferation und -teilung bewirken können«, erklärt Milojevic.
Die WissenschafterInnen konnten dabei nachweisen, dass die Verwendung von anorganischen POM-Clustern auf Wolframbasis dazu führt, dass in den Zellen verschiedene Wolfram-Verbindungen abgelagert werden. Aber es passiert noch mehr: »Unsere Ergebnisse zeigen, dass M. sedula durch ein Überziehen mit wolframcarbidartigen Verbindungen eine wolframhaltige, mineralisierte Zelloberfläche bilden kann«, erklärt Biochemikerin Milojevic. Die Zellen von M. sedula bilden quasi eine Wolfram-Kruste aus, die den Mikroben dabei helfen könnte, um unter rauen Bedingungen, etwa während einer interplanetaren Reise, gute Überlebenschancen zu haben. Die Wolfram-Schicht dient dabei als wirksamer Strahlenschutz, meinen die Forscher.