Schlechte Nachrichten für das Leben auf Titan – oder doch nicht?

Damit Leben, wie wir es kennen, entstehen kann, muss es sih irgendwie gegen seine Umgebung abgrenzen. Jede Zelle braucht eine Hülle, die zwar durchlässig für Nährstoffe von draußen ist, aber das Zelinnre trotzdem vor der Außenwelt schützt. Auf der Erde bestehen solche Zellmembranen aus Lipiden, Kohlenwasserstoff-Verbindungen, zu denen u.a. die Fettsäuren gehören.

Auf dem Saturn-Mond Titan ist es für die Entstehung von Lipiden mit -180 Grad Durchschnittstemperatur viel zu kalt. Aber es gibt dort eine andere Stoffklasse, von der Astrobiologen gehofft hatten, dass sie die Funktion der Lipide übernehmen könnten: Acrylnitril. Moleküle dieses Stoffes könnten sich zu sogenannten Azotosomen verbinden, deren Eigenschaften denen der Lipide ähneln. Tatsächlich konnte man schon zeigen, dass Azotosome auf dem Titan existieren könnten – und dass am Ausgangsstoff Acrylnitril dort kein Mangel herrscht.

Leider gibt es nun schlechte Nachrichten: In einem neuen Paper in Science Advances zeigen zwei schwedische Forscher, dass sich Azotosome unter den Bedingungen auf Titan gar nicht erst bilden würden. Acrylnitril kann nämlich auch eine andere Form annehmen – ein molekulares Eis – und genau das passiert höchstwahrscheinlich, weil das Azetosom bei seiner Entstehung mit jedem Molekül mehr Energie benötigt, die auf Titan schlicht nicht zur Verfügung steht. Viel weniger Energie wird für die Kristallisation zu molekularem Eis gebraucht, also ist das auch der weitaus wahrscheinlichere Vorgang.

Das bedeutet allerdings nicht, dass wir die Hoffnung auf Leben auf Titan aufgeben müssen, wie die Forscher anmerken. Dort würden hypothetische Biomoleküle wohl in fester Form vorliegen und wären damit nicht wie auf der Erde dem Risiko ausgesetzt, sich in der Umgebung aufzulösen. Damit brauchen sie vielleicht auch gar keine Zellmembran. Da die Moleküle auf Titan nicht mobil wären, müssten si darauf warten, von kleinen, energiespendenden Molekülen wie Wasserstoff oder Azetylen erreicht zu werden, wie eine Pflanze auf der Erde. Dabei wäre eine Membran sogar ein zusätzliches Hindernis. Ähnliches gilt für die Abfalprodukte des Zell-Metabolismus, die ohne Zellmembran besser entfernt werden könnten. “Man könnte deshalb fragen, ob Zellmembranen unter diesen Umständen überhaupt einen Nutzen haben”, erklärt Martin Rahm, einer der beiden Forscher.

Mit quantenmechanischen Berechnungen zeigten schwedische Forscher, dass Azetosome auf Titan nicht entstehen können (Bild: NASA/Yen Strandqvist/Chalmers)

One Comment

  • Hallo und vielen Dank für die Anlagen. Sind sehr interesant. Vielleicht machen Sie irgendwann mal eine Lesung in Berlin.
    Beste Grüße
    B.Hd

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BrandonQMorris
  • BrandonQMorris
  • Brandon Q. Morris, 54, ist Physiker und beschäftigt sich beruflich und privat schon lange mit den spannenden Phänomenen des Alls. So ist er für den redaktionellen Teil eines Weltraum-Magazins verantwortlich und hat mehrere populärwissenschaftliche Bücher über Weltraum-Themen geschrieben. Er wäre gern Astronaut geworden, musste aber aus verschiedenen Gründen auf der Erde bleiben. Ihn fasziniert besonders das „was wäre, wenn“. Sein Ehrgeiz ist es deshalb, spannende Science-Fiction-Geschichten zu erzählen, die genau so passieren könnten – und vielleicht auch irgendwann Realität werden.