Sechs Exoplaneten in ungewöhnlicher Resonanz

Wenn man Mehrkörpersysteme sich selbst überlässt, stellt sich manchmal eine merkwürdige Ordnung ein. Die Abstände der Planetenbahnen sind ganzzahlige Vielfache eines Grundwertes, Monde und Planeten bewegen sich im Gleichklang, Himmelskörper wenden sich stets dieselbe Seite zu – was wir dann als kosmische Ordnung wahrnehmen, sind alles keine Wunder, sondern bloß Ergebnisse der Wirkung der Gravitation in einem auf bestimmte Weise aufgebauten System.

Das trifft auch auf TOI-178 zu, einen etwa 200 Lichtjahre entfernten Stern im Sternbild Sculptor. Als Forscher den Stern zum ersten Mal beobachteten, vermuteten sie zunächst, sie hätten zwei Planeten entdeckt, die ihn auf der gleichen Bahn umkreisen. Das wäre eine echte Sensation gewesen. Sogenannte Ko-orbitale Planeten, die ihren Stern im selben Abstand umkreisen, sind zwar theoretisch möglich, aber eher unwahrscheinlich. Bei Kepler-223 hatte man so etwas ebenfalls vermutet, doch dann stellte sich heraus, dass die vier Planeten des Systems in einer rhythmischen Kette orbitieren.

Genau das scheint nun auch bei TOI-178 der Fall zu sein, allerdings in stärkerem Ausmaß. Die neuen Forschungen haben ergeben, dass das System sechs Exoplaneten aufweist und dass alle außer demjenigen, der dem Stern am nächsten ist, in einem rhythmischen Tanz gefangen sind, während sie sich auf ihren Bahnen bewegen. Mit anderen Worten: Sie befinden sich in Resonanz. Das bedeutet, dass es ein Muster gibt, das sich wiederholt, während die Planeten um den Stern kreisen, wobei sich einige Planeten alle paar Umläufe aneinander ausrichten. Eine ähnliche Resonanz wird auch bei den Bahnen von drei Jupitermonden beobachtet: Io, Europa und Ganymed. Io, der dem Jupiter am nächsten gelegene der drei Monde, absolviert für jeden Orbit, den der am weitesten entfernte Ganymed macht, vier volle Umläufe um Jupiter, und für jeden Orbit, den Europa macht, zwei.

Die fünf äußeren Exoplaneten des TOI-178-Systems folgen einer noch komplexeren Resonanzkette, einer der längsten, die bisher in einem Planetensystem entdeckt wurde:  Während sich die drei Jupitermonde in einer 4:2:1-Resonanz befinden, folgen die fünf äußeren Planeten des TOI-178-Systems einer 18:9:6:4:3-Kette. Der vom Stern aus gesehen zweite Planet (der erste in der Resonanzkette) vollzieht also in derselben Zeit 18 Umläufe, der dritte Planet 9, der vierte 6 und so weiter. Tatsächlich fanden die Wissenschaftler zunächst nur fünf Planeten in dem System, aber indem sie diesem Resonanzrhythmus folgten, berechneten sie, wo sich ein zusätzlicher Planet in seiner Umlaufbahn befinden würde, wenn sie das nächste Mal ein Zeitfenster zur Beobachtung des Systems hatten.

Dieser Tanz der resonierenden Planeten iefert Hinweise auf die Vergangenheit des Systems. „Die Bahnen in diesem System sind sehr gut geordnet, was uns sagt, dass sich dieses System seit seiner Geburt recht sanft entwickelt hat“, erklärt Co-Autor Yann Alibert von der Universität Bern. Wäre das System erheblich gestört worden, zum Beispiel durch einen riesigen Einschlag, hätte diese fragile Konfiguration der Bahnen nicht überlebt.

Doch auch wenn die Bahnkonfiguration sauber und geordnet ist, sind die Dichten der Planeten „viel ungeordneter“, sagt Nathan Hara von der Universität Genf, Schweiz, der ebenfalls an der Studie beteiligt war. „Es scheint, dass es einen Planeten gibt, der so dicht ist wie die Erde, direkt neben einem sehr leichten Planeten mit der Hälfte der Dichte des Neptuns, gefolgt von einem Planeten mit der Dichte des Neptuns. Das ist nicht das, was wir gewohnt sind.“ In unserem Sonnensystem zum Beispiel sind die Planeten fein säuberlich angeordnet, mit den dichteren Gesteinsplaneten näher am Zentralstern und den lockerer strukturierten Gasplaneten mit geringer Dichte weiter draußen.

„Dieser Kontrast zwischen der rhythmischen Harmonie der Orbitalbewegung und den ungeordneten Dichten stellt unser Verständnis von der Entstehung und Entwicklung von Planetensystemen sicherlich in Frage“, betont Leleu.

Obwohl keiner der sechs gefundenen Exoplaneten in der bewohnbaren Zone des Sterns liegt, vermuten die Forscher, dass sie durch die Weiterverfolgung der Resonanzkette weitere Planeten finden könnten, die in oder sehr nahe an dieser Zone existieren könnten. Das Extremely Large Telescope (ELT) der ESO, das noch in diesem Jahrzehnt in Betrieb genommen werden soll, wird in der Lage sein, Gesteinsplaneten in der bewohnbaren Zone eines Sterns direkt abzubilden und sogar ihre Atmosphären zu charakterisieren. Dies bietet die Möglichkeit, Systeme wie TOI-178 noch detaillierter zu erforschen.

Der kosmische Tanz im Video (Sound einschalten!):

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BrandonQMorris
  • BrandonQMorris
  • Brandon Q. Morris, 54, ist Physiker und beschäftigt sich beruflich und privat schon lange mit den spannenden Phänomenen des Alls. So ist er für den redaktionellen Teil eines Weltraum-Magazins verantwortlich und hat mehrere populärwissenschaftliche Bücher über Weltraum-Themen geschrieben. Er wäre gern Astronaut geworden, musste aber aus verschiedenen Gründen auf der Erde bleiben. Ihn fasziniert besonders das „was wäre, wenn“. Sein Ehrgeiz ist es deshalb, spannende Science-Fiction-Geschichten zu erzählen, die genau so passieren könnten – und vielleicht auch irgendwann Realität werden.