Silent Sun: Das Phänomen der ruhigen Sonne

Die Sonne ist ziemlich ruhig. Das ist die Prämisse meines Romans “Silent Sun“. Forscher des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung in Göttingen haben das nun aber auch mit einem in Science veröffentlichten systematischen Vergleich nachgewiesen. Bei solchen Analysen kommt es natürlich darauf an, nicht Äpfel mit Birnen zu vergleichen. Rote Zwerge etwa gelten als ziemlich aktiv. Aber auch bei Gelben Zwergen wie der Sonne kann es große Unterschiede geben.

Deshalb wählten die Forscherinnen und Forscher solche Kandidaten aus, die der Sonne in entscheidenden Eigenschaften gleichen. Neben der Oberflächentemperatur, dem Alter und dem Anteil von schweren Elementen war das vor allem die Rotationsgeschwindigkeit. „Die Geschwindigkeit, mit der sich ein Stern um die eigene Achse dreht, ist eine entscheidende Größe“, sagt Sami Solanki, Direktor am Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung und Koautor der Arbeit.

Denn vor allem die Rotation trägt dazu bei, dass im Inneren eines Sterns wie in einem Dynamo ein Magnetfeld entsteht. „Dieses Magnetfeld ist die treibende Kraft hinter allen Aktivitätsschwankungen“, so Solanki. Der Zustand des Magnetfelds bestimmt, wie häufig ein Stern eruptiert und wie zahlreich Sonnenflecken und helle Regionen auf der Oberfläche auftreten – und damit letztlich auch, wie hell ein Stern scheint.

Praktischerweise gibt es seit wenigen Jahren einen umfangreichen Katalog der Rotationsgeschwindigkeiten tausender Sterne . Er beruht auf Messungen des US-amerikanischen Weltraumteleskops Kepler, das von 2009 bis 2013 die Helligkeitsschwankungen von etwa 150.000 Hauptreihensternen aufzeichnete – also solchen, die sich wie unsere Sonne ungefähr in der Mitte ihres Lebens befinden. Die Forschenden durchforsteten diese riesige Datenmenge und wählten jene Sterne aus, die sich innerhalb von 20 bis 30 Tagen einmal um die eigene Achse drehen (Sonne: 24,5 Tage). Diese Vergleichsgruppe verkleinerten sie mithilfe von Daten des europäischen Weltraumteleskops Gaia. So blieben 369 Sterne übrig, die der Sonne auch in weiteren grundlegenden Eigenschaften ähneln.

Die genaue Analyse der Helligkeitsschwankungen dieser Sterne zwischen 2009 und 2013 zeigt ein klares Bild: Während die Gesamtstrahlungsleistung der Sonne um gerade einmal 0,07 Prozent schwankte, veränderten sich ihre Kollegen etwa fünfmal so stark. „Wir waren sehr überrascht, dass die meisten sonnenähnlichen Sterne so viel aktiver als die Sonne sind“, sagt Alexander Shapiro, Gruppenleiter am Göttinger Max-Planck-Institut.

Allerdings lässt sich längst nicht für alle Sterne, die Kepler beobachtete, die Rotationsgeschwindigkeit bestimmen. „Bei vielen Sternen können wir solche periodischen Verdunklungen nicht aufspüren, sie gehen im Rauschen der Messdaten und in den anderen Helligkeitsschwankungen des Sterns unter“, sagt Timo Reinhold. Die Forschenden untersuchten deshalb auch noch mehr als 2500 sonnenähnliche Sterne, deren Rotationsgeschwindigkeit sich nicht bestimmen lässt, wohl aber deren Helligkeitsschwankungen. Und tatsächlich fielen diese deutlich geringer aus.

Das erlaubt zwei Interpretationen: So könnte es einen noch ungeklärten, grundsätzlichen Unterschied zwischen den Sternen mit bekannter Rotationsgeschwindigkeit geben und solchen, denen sich dieser Wert bisher nicht entlocken lässt. „Genauso denkbar ist es, dass uns die Sterne mit bekannten und sonnenähnlichen Rotationsgeschwindigkeiten zeigen, zu welchen Aktivitätsschwankungen die Sonne grundsätzlich fähig ist“, sagt Shapiro. Dies würde bedeuten, dass unser Stern in den vergangenen 9000 Jahren, für die wir seine Aktivität abschätzen können, ungewöhnlich langweilig war und dass auf sehr großen Zeitskalen auch Phasen mit deutlich stärkeren Schwankungen denkbar sind. Eine solche verstäkte Aktivität wäre für die Erde durchaus eine Gefahr. In die Zukunft sehen können die Forscher allerdings nicht. Aber vielleicht wissen sie ja bloß nicht, warum die Sonne wirklich so ruhig ist …

Vergleich der Helligkeitsschwankungen der Sonne mit der eines typischen, sonnenähnlichen Sterns (Bild: MPS / hormesdesign.de)

2 Comments

  • Hallo Brandon,

    gerade eben habe ich das Buch zu Ende gelesen.
    Ich würde mich freuen, wenn ich die neue Biogarfie der Sonne in bunt und mit Bildern lesen dürfte.
    Das war schon mein achtes hardsf-Buch.

    Freundliche Grüße
    Andreas

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BrandonQMorris
  • BrandonQMorris
  • Brandon Q. Morris, 54, ist Physiker und beschäftigt sich beruflich und privat schon lange mit den spannenden Phänomenen des Alls. So ist er für den redaktionellen Teil eines Weltraum-Magazins verantwortlich und hat mehrere populärwissenschaftliche Bücher über Weltraum-Themen geschrieben. Er wäre gern Astronaut geworden, musste aber aus verschiedenen Gründen auf der Erde bleiben. Ihn fasziniert besonders das „was wäre, wenn“. Sein Ehrgeiz ist es deshalb, spannende Science-Fiction-Geschichten zu erzählen, die genau so passieren könnten – und vielleicht auch irgendwann Realität werden.