Test: eVscope, das Teleskop für bequeme Teilzeit-Astronomen

Mein erstes Fernrohr habe ich mir mit so etwa zehn Jahren selbst gebastelt – mit Hilfe eines Optik-Baukastens, nachdem ich den Elektronik-Baukasten nicht mehr mochte, weil ich mir beim Löten die Finger verbrannt hatte (ja, damals gab es in Kinderspielzeug tatsächlich noch Dinge, mit denen man ein Haus abfackeln oder zumindest Lötzinn schmelzen konnte). Der Mond hing in diesem Fernrohr immer falsch herum am Himmel, was ich skurril fand. Schließlich zeigte mein Fernglas die Dinge auch immer richtig herum. Ich hatte ein bisschen den Verdacht, dass die Erwachsenen damit verhindern wollten, dass man mit dem Fernrohr fremde Fenster ausspähte. Was tatsächlich möglich war, und unsere Wohnung im 14. Stock eines Hochhauses bot da beste Möglichkeiten.

Nun, der Mond hängt auch im online knapp 3000 € teuren eVscope des französischen Herstellers Unistellar falsch herum. Das Teleskop steht neuerdings auf meinem Balkon, manchmal auch im Garten oder auf der Wiese. Ich habe deutlich weniger gezahlt, $1300 nämlich, als ich das Projekt 2017 bei Kickstarter unterstützt habe. Die Auslieferung hat sich etwas hinausgezögert, aber das kennt man von Kickstarter ja.

Das eVscope hat mich sofort gereizt, denn es verspricht viele Sterne für wenig Aufwand. Ich gestehe, ich bin in Sachen Astronomie ein Warmduscher. Die ganze Nacht in Eiseskälte draußen zu stehen, mit klammen Fingern ein Himmelsobjekt zu suchen, dann doch von Wolken geärgert zu werden – das ist es mir schlicht nicht wert. Und für genau solche Hobbyastronomen wie mich ist das eVscope perfekt. Ich sitze im Zimmer auf dem Sofa, suche über die App (iOS / Android) ein Objekt aus, sei es ein Nebel, ein Stern, ein Planet, ein Asteroid …, tippe auf “Go”, und das Teleskop (auf dem Balkon) sucht das Objekt und zeigt es mir. Ich müsste nicht einmal das Zimmer verlassen, weil das Bild auf meinem Handy erscheint. Aber ich kann natürlich auch nach draußen gehen und durch das Okular sehen.

Aber das ist nicht alles. “eV” heißt nicht Elektronen-Volt, sondern “enhanced vision”. Dahinter steckt etwas, das “richtige” Hobbyastronomen als Stacking kennen. Das eVscope besitzt einen eingebauten Kamerasensor. Aktiviert man enhanced vision, beginnt der, viele Aufnahmen des Himmelsobjekts anzufertigen und übereinanderzulegen. Stacken kann man auch mit einem normalen Teleskop und einer guten Kamera, aber hier ist es ins Gerät integriert. Beim ersten Mal mutet es fast magisch an, wie ein fast unschtbares Objekt wie der Orionnebel plötzlich Struktur bekommt (siehe Bilder). Bei sehr hellen Objekten, etwa dem Mond, lohnt sich Stacking / enhanced vision nicht. Hier hat man dann einfach ein Spiegel-Teleskop mit 114 mm Öffnungsweite und 450 mm Brennweite.

Klar: die Kombination aus einem vergleichbaren Teleskop und einer Kamera kostet deutlich weniger als die aktuell geforderten 3000 €. Aber der Komfort ist unvergleichlich. Wer nicht viel Zeit zum Beobachten hat, will eben nicht lange mit dem Aufbau und der Einrichtung verbringen. Für solche Nutzer ist das eVscope perfekt. In Zukunft soll das Teleskop dann auch Citizen-Science-Projekte ermöglichen, bei denen tausende Nutzer weltweit Forschungsarbeit leisten. Das ist etwas, das dank der Smartphone-Anbindung des Teleskops möglich wird.

Ergänzung: Aufbau und Einrichtung des Geräts haben ca. 10 Minuten gedauert. Das ist wirklich Spitze. Der eingebaute Akku soll etwa zehn Stunden halten.

Beobachten konnte ich bisher nur den Mond und einige Sternhaufen und Sterne. Jupiter, Saturn und Mars erscheinen derzeit früh am Morgen (da schlafe ich noch), Venus ist nah am hellen Mond. Alle Aufnahmen mit städtischer Lichtverschmutzung.

Das eVscope
M42, der Orionnebel, ein Emissionsnebel, in dem Sterne geboren werdem
Die Plejaden (M45), ein offener Sternhaufen, etwas unscharf
M44 (Praesepe), englisch Beehive-Cluster, ein offener Sternhaufen
Der Mond – derzeit leider nur als Sichel zu sehen.

11 Comments

  • Hallo Brandon Q. Morris,
    als ich noch bei meinen Eltern lebte, hatte ich ein auf dem Balkon stehendes Spiegelteleskop. Mit ein paar verschiedenen Okularen und Filtern für Sonne und Mond waren es spannende Zeiten.
    Einen Balkon habe ich noch immer, aber leider keine freie Sicht, so dass zumindest die Nachbarschaft auf den Plan gerufen würde.. Wirklich schade.
    Zum Glück gibt es Ihre mitreißenden Romane, die zuweilen bis auf Tuchfühlung mit den Sternen führen.
    Ich lese gerade Proxima Rising. Den Roman habe ich irgendwie übersehen und den nachfolgenden Teil zuvor gelesen… Die Schilderungen sind eindringlich, häufig sehr komplex und zum Glück mit Ausdauer geschrieben. Diesen Schreibstil habe ich in den vergangenen Jahren schätzen gelernt.
    Ich freue mich auf jede ihrer weiteren Veröffentlichungen.

    Liebe Grüße
    Peter René Thomzig

    • Hallo, oh, allerbesten Dank dafür! Einen Sonnenfilter muss ich mir noch besorgen. Ihnen noch viel Spaß beim Lesen!

  • Hallo
    Ich habe das Unisellar vollkommen neu, und brauche Hilfe da ich mit der englichen Anleitung nicht klar komme.
    Ich bekomme es schon nicht mit dem Handy verbunden und komme einfch nicht weiter
    Würden oder können Sie mir helfen
    Ich wäre Ihnen sehr dankbar
    W. Thoma

  • Hallo,
    bitte Hilfe!!!! Habe das eVscope seit einigen Tagen. Inzwischen bekomme ich es zuverlässig eingeschaltet, kann es auch herumfahren. Alles ist aber total verpixelt. Und ich kann leider nicht auf “Gehe zu” gehen, weil das einfach nicht aktiv aufleuchtet. Folglich auch keine Himmelsverfolgung möglich. Sehe ein paar Sterne, recht unscharf, und dann sind sie schnell wieder aus dem Bild. Ich folge per Joystick, aber alles bleibt verpixelt.
    Können Sie mir weiterhelfen? Oder ist Ihnen vielleicht eine deutschsprachige website “Erste Hilfe” bekannt?
    VG, Frauke A.

    • Hallo, das eVscope muss zuerst fokussiert werden, mit Hilfe der beiliegenden Bahtinov-Maske. Das ist hier erklärt:

      • Schönen guten Abend,
        ich darf mein neues Unistellar Equinox (ohne Okular) erst am 24.12 auspacken. Ich hoffe, dass ich hier ein paar Fragen stellen darf, wenn es so weit ist. Bin sehr gespannt.
        Liebe Grüße, Ferenc Husta

  • Hey und guten Abend! Ich finde das Teleskop klasse, ich habe nur große Sorge das irgendwann mal die App nicht mehr funktioniert und auch das Teleskop somit dann leider nicht mehr verwendbar ist da! Kann man auch schön Planeten und den Mond beobachten, die Sonne? Liebe Grüße, Valentin

    • Planeten und Mond ja, die Sonne nicht. Da soll aber ein Filter kommen.

  • Hallo allerseits,
    schon früh war ich (jetzt 58) an der Astronomie sehr interessiert, habe mir aber die technischen Tüfteleien speziell der Astrophotographie nie zugetraut. Hier hat das Evscope im August letzten Jahres Abhilfe geschaffen und ich bin insgesamt ziemlich begeistert von dem Gerät. Es ist erstaunlich, was der (mit dem dazugehörigen Rucksack auch prima im Gelände zu transportierende) 4,5-Zöller leistet. Die versprochenen 16 m als Grenzgröße werden locker erreicht, selbst bis 18 gehts auch öfters trotz des auch hier am Niederrhein kräftig aufgehellten Himmel. Sicher, es sind elektronische Bilder, aber das Teleskop zeigt Objekte, von denen ich nie glaubte, dass ich sie gezielt zur Beobachtung auswählen könnte, wie Quasare, lichtschwache Galaxien, Erdbahnkreuzer etc. Der Objektkatalog der App ist beachtlich, hat sich durch die Updates in seiner Benutzung auch deutlich verbessert, aber die Ansteuerung von frei gewählten Koordinaten verschafft besondere Aha-Erlebnisse,
    Der Begrenzungen sollte man sich vor dem Kauf bewusst sein: Da ist zum einen das starre Gesichtsfeld, das für einige Objekte wie M 31, 33 oder 45 zu klein ist. Auch sind (vorerst) keine Filter “zuschaltbar”. Des weiteren ist es allein wegen seiner geringen Brennweite k e i n für die Planetenbeobachtung geeignetes Gerät. Abgesehen davon: Der Bedienungskomfort ist enorm, durch den raschen Aufbau lässt sich eine Wolkenlücke spontan nutzen, die Handhabung ist intuitiv und rasch erlernt. Aufstellen, Anschalten, Felderkennung, Fokussieren braucht nur wenige Minuten und los gehts. Sicher, es besteht die Abhängigkeit von der App (die Anfang Dezember tatsächlich für zwei Tage eine schwere Fehlfunktion hatte), dafür aber fließen Verbesserungsvorschläge der Nutzer in neue App-Versionen ein, und die neuen Updates haben die Nutzungsmöglichkeiten merklich verbessert. Nicht unerwähnt bleiben sollte auch das online verfügbare Help center von Unistellar. Mit einfachen Grundregeln wie Temperaturanpassung, Nachfokussieren und natürlich einem guten Bildbearbeitungsprogramm lässt sich aus den Aufnahmen viel herausholen. Zwar habe ich seit August schon manche Nacht in der Kälte verbracht, denn es lohnt sich für die Nebel- und Galaxienbeobachtung definitiv mit dem Teleskop nicht lichtverschmutzte Orte aufzusuchen, aber ebenso den Vorteil genossen, das Evscope im Garten vom Sofa aus zu steuern. Mittlerweile habe ich das Smartphone dabei durch ein Tablet ersetzt. 10 m schafft das geräteigene W-LAN locker.
    Das ganze soll keine Werbeanzeige für das Evscope sein, sondern entspricht meiner tatsächlichen Erfahrung und Zufriedenheit mit dem Gerät Das Evscope hält simpel, was es verspricht, und was es aufgrund seiner technischen Grenzen nicht leisten kann, verspricht es auch nicht. Ein Bild sagt mehr als tausend Worte, aber ich weiß nicht genau, ob ich hier Bilder posten kann (und möchte auch das Forum nicht ungefragt “vollmüllen”). Bisheriges Highlight war ein kurzes Filmchen mit Dutzenden Galaxienaufnahmen aus nur zwei Nächten Anfang März, also nicht nur “herausgepickten Rosinen”. Bei Interesse gibt es ja vielleicht eine Möglichkeit, Bilder anderweitig zu übermitteln. Auch entsteht allmählich das eigene “Messier-Poster” mir Evscope-Aufnahmen, gut 20 Objekte fehlen noch. Trotz meines limitierten technischen Verständnis stehe ich auch für Nachfragen, die Erstnutzer haben, gern zur Verfügung, vielleicht kann ich ja helfen.
    Bald ist Neumond, jetzt müsste nur noch das Wetter besser werden!
    Viel Freude beim Blick nach oben,
    Christoph Kaspari

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BrandonQMorris
  • BrandonQMorris
  • Brandon Q. Morris, 54, ist Physiker und beschäftigt sich beruflich und privat schon lange mit den spannenden Phänomenen des Alls. So ist er für den redaktionellen Teil eines Weltraum-Magazins verantwortlich und hat mehrere populärwissenschaftliche Bücher über Weltraum-Themen geschrieben. Er wäre gern Astronaut geworden, musste aber aus verschiedenen Gründen auf der Erde bleiben. Ihn fasziniert besonders das „was wäre, wenn“. Sein Ehrgeiz ist es deshalb, spannende Science-Fiction-Geschichten zu erzählen, die genau so passieren könnten – und vielleicht auch irgendwann Realität werden.