Wie kann man in ein Schwarzes Loch hineinsehen?

Wenn Masse so stark konzentriert ist, dass der von ihr ausgehenden Gravitation nicht einmal mehr Licht entkommen kann, dann sprechen Physiker von einem Schwarzen Loch. Der Name trifft die physikalische Natur des Phänomens eigentlich nur unzureichend. Denn auch von einem Schwarzen Loch geht Strahlung aus, die so genannte Hawking-Strahlung. Außerdem versetzen Schwarze Löcher ihre Umgebung dermaßen in Aufruhr, dass sie auf keinen Fall unsichtbar bleiben: Da gibt es eine Akkretionsscheibe von Materie, die gerade in das Loch einströmt, es gibt jede Menge wirbelnder Magnetfelder – Sie brauchen kaum zu befürchten, aus Versehen in ein Schwarzes Loch zu fallen.

Aber was Sie sehen, kommt immer aus der Umgebung des Phänomens, nicht aus seiner Mitte. Das führt zu einem echten Problem. Wenn nämlich Materie in das Schwarze Loch fällt, geht sämtliche Information verloren, die damit verbunden ist. Das Schwarze Loch gibt sie ja nicht wieder her! Aber Information darf nicht einfach so verschwinden, glaubt man der Quantenmechanik. Das Problem bezeichnen Physiker als das Informations-Paradox des Schwarzen Lochs.

Findige Physiker haben dafür einen Ausweg gefunden. Man wartet einfach, bis das Schwarze Loch auf die Hälfte seiner Masse geschrumpft ist. Dann rückt es die gestohlene Information wieder heraus. Das ist leicht zu behaupten, aber schwer nachzuweisen. Bei einem Schwarzen Loch mit der Masse der Sonne müsste man dafür 1067 Jahre warten, das ist weitaus länger, als das Universum existieren wird.

Schwarze Löcher schrumpfen durch das Phänomen der Hawking-Strahlung. Sie beruht darauf, dass dauernd Paare von Teilchen aus dem Nichts entstehen. Davon merken wir normalerweise nichts, weil sie sich sehr schnell wieder gegenseitig annihilieren. Aber wenn die beiden in der Nähe eines Schwarzen Lochs geboren werden, kann es passieren, dass eines in das Loch fällt, das andere aber nicht. Der Überlebende verlässt den Bereich als Hawking-Strahlung. Da er aber aus dem Nichts entstand, muss die nun zusätzlich existierende Masse wieder ausgeglichen werden – und zwar vom Schwarzen Loch, das ein bisschen leichter wird. Einer muss die Energieschuld schließlich an das Universum zurückzahlen.

Die Hawking-Strahlung könnte es aber auch sein, die einen Blick in das Schwarze Loch erlaubt, obwohl sie außerhalb entsteht. Das zeigen US-Forscher um Norman Yao von der University of California Berkeley jetzt in einem Artikel im Fachmagazin Nature. Die Physiker schicken ein verschränktes Qbit in ein Schwarzes Loch und stellen danach über Messungen an der Hawking-Strahlung fest, in welchem Zustand sich das Qbit befindet – innerhalb des Schwarzen Lochs. Nun sind sie dafür nicht in ein Raumschiff gestiegen. Stattdessen haben sie mit Hilfe eines Drei-Qbit-Quantencomputers ein Schwarzes Loch simuliert und dieses System mit einem Sieben-Qbit-Quantencomputer überwacht. Das äußere, das Mess-System, konnte dann eindeutig zeigen, in welchem Zustand sich ein Qbit im inneren Quantencomputer befand.

Bis zur praktischen Anwendbarkeit dieses Verfahrens an Schwarzen Löchern werden noch ein paar Jahrhunderte vergehen. Aber die Forscher haben auch jetzt schon eine Idee, wozu sie ihr System nutzen können: Zur Überwachung und Charakterisierung aktueller Quantencomputer. Auch da hat man ja das Problem, dass durch Hineinschauen die Messung verfälscht wird. Man braucht also Wege, in den Kochtopf zu gucken, ohne den Deckel zu heben. Den herausdringenden Dampf zu untersuchen, ist da – übertragen gesprochen – sicher keine schlechte Idee.

Das Infotmations-Paradox des Schwarzen Lochs und wie die Forscher es lösen wollen (Bild: Emily Elisa Edwards, University of Maryland)
Der prinzipielle Aufbau der Messapparatur. Der Messprozess ähnelt der Schaffung eines Wurmlochs (Bild: Emily Elisa Edwards, University of Maryland)
Künstlerische Darstellung eines Schwarzen Lochs (Bild: E. Edwards/Joint Quantum Institute)

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BrandonQMorris
  • BrandonQMorris
  • Brandon Q. Morris, 54, ist Physiker und beschäftigt sich beruflich und privat schon lange mit den spannenden Phänomenen des Alls. So ist er für den redaktionellen Teil eines Weltraum-Magazins verantwortlich und hat mehrere populärwissenschaftliche Bücher über Weltraum-Themen geschrieben. Er wäre gern Astronaut geworden, musste aber aus verschiedenen Gründen auf der Erde bleiben. Ihn fasziniert besonders das „was wäre, wenn“. Sein Ehrgeiz ist es deshalb, spannende Science-Fiction-Geschichten zu erzählen, die genau so passieren könnten – und vielleicht auch irgendwann Realität werden.