Wie viel Energie können wir uns aus dem Vakuum borgen?

Es gibt keine negative Energie, das haben wir in der Schule gelernt. Gäbe es sie, müsste es auch negative Masse geben – und damit abstoßende Gravitation, denn Energie und Masse sind, wie Einstein in der Relativitätstheorie erklärt, miteinander direkt verknüpft. Auf der Mikroebene ist das jedoch nicht wahr (und das ist einer der Gründe, warum die Physiker bei der angestrebten Eheplanung von Relativität und Quantentheorie noch viel Spaß haben werden). In einem winzigen Gebiet ist es möglich, dass die Energie für kurze Zeit unter Null fällt, dass wir uns also Energie beim Vakuum ausborgen. Science-Fiction-Autoren benutzen das gern, um eine Art billiger Energiequelle zu postulieren.

Aber das Vakuum ist ziemlich geizig. Es gibt nur bis zu einer bestimmten Grenze Energie-Kredit, und es verlangt dafür womöglich sogar Zinsen, das sog. “quantum interest”. Deren genaue Höhe ist derzeit noch unbekannt. Der zu zahlende “Quanten-Zins” hängt auf jeden Fall ähnlich wie im Bankwesen von der Höhe und der Laufzeit des Kredits ab. Allerdings ist der Zusammenhang nicht linear, im Gegenteil – das Universum ist ein Wucherer und schlägt schnell mit hohen Zinsen zu, wenn die Laufzeiten oder Kredite nur wenig anwachsen. So sorgt es dafür, dass Schuldenmachen beim Vakuum nicht zur Gewohnheit wird und vorhandene Kredite schnell wieder getilgt werden, sodass statistisch wieder alles ausgeglichen wird.

Im Jahre 2017 haben Physiker zudem die „Quantum Null Energy Condition“ (QNEC) bewiesen, die bestimmte Grenzen für Energie-Kredite vorschreibt. Die Energie kann demnach zwar unter Null sinken, aber nur in einem bestimmten Gebiet, nur für bestimmte Zeit und nur in einem Kreditrahmen, der mit einer quantenphysikalischen Größe zusammenhängt, der sogenannten Verschränkungsentropie.

“Diese Verschränkungsentropie ist in gewissem Sinn ein Maß dafür, wie quantenphysikalisch sich ein System verhält”, sagt Daniel Grumiller vom Institut für Theoretische Physik der TU Wien. “Wenn sich irgendwo im Universum ein Objekt befindet, bei dem quantenphysikalische Verschränkungen eine sehr große Rolle spielen, zum Beispiel der Rand eines schwarzen Lochs, dann kann dort für gewisse Zeit ein negativer Energiefluss entstehen, sodass negative Energien möglich werden.”

Grumiller konnte diese speziellen Berechnungen nun gemeinsam mit Max Riegler und Pulastya Parekh verallgemeinern. “Alle bisherigen Betrachtungen bezogen sich auf Quantentheorien, die den Symmetrien der speziellen Relativitätstheorie folgen. Wir konnten nun aber zeigen, dass diese Verbindung zwischen negativer erlaubter Energie und Quantenverschränkungen ein viel allgemeineres Phänomen ist”, erklärt der Forscher. Das heißt, dass der vom Universum vorgesehene Kreditrahmen für die Entnahme von Energie aus dem Vakuum nicht von speziellen Eigenschaften der zur Beschreibung des Universums genutzten Quantentheorien abhängt, sondern eine universelle Eigenschaft darstellt.

Leave a Comment

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

BrandonQMorris
  • BrandonQMorris
  • Brandon Q. Morris, 54, ist Physiker und beschäftigt sich beruflich und privat schon lange mit den spannenden Phänomenen des Alls. So ist er für den redaktionellen Teil eines Weltraum-Magazins verantwortlich und hat mehrere populärwissenschaftliche Bücher über Weltraum-Themen geschrieben. Er wäre gern Astronaut geworden, musste aber aus verschiedenen Gründen auf der Erde bleiben. Ihn fasziniert besonders das „was wäre, wenn“. Sein Ehrgeiz ist es deshalb, spannende Science-Fiction-Geschichten zu erzählen, die genau so passieren könnten – und vielleicht auch irgendwann Realität werden.