Ein Planet, den es nicht geben dürfte

GJ 3512 ist ein Roter Zwerg. Der etwa 31 Lichtjahre von uns entfernte Stern bringt nur 12 Prozent der Sonnenmasse auf die Waage. Aber was die Größe seiner Begleiter angeht, lässt sich GJ 3512 ganz und gar nicht lumpen. Wie ein deutsch-spanisches Forscherteam herausfand, besitzt er einen Riesenplaneten mit fast der halben Masse unseres Jupiters. “Es sollte um solche Sterne eigentlich nur erdgroße Planeten oder höchstens etwas massereichere Super-Erden geben”, sagt Professor Christoph Mordasini vom Physikalischen Insitut der Universität Bern, der mit seinem Team plausible Szenarien zur Bildung des großen Exoplaneten diskutierte. “GJ 3512b ist hingegen ein Riesenplanet mit einer Masse ungefähr halb so groß wie diejenige von Jupiter, und somit mindestens eine Größenordnung massereicher als die Planeten, die von theoretischen Modellen für so kleine Sterne vorausgesagt werden.”

Aufgespürt wurde der rätselhafte Planet von einem spanisch-deutschen Forschungskonsortium namens CARMENES, das sich die Entdeckung von Planeten bei kleinsten Sternen zum Ziel gesetzt hat. Dazu baute das Konsortium ein neuartiges Instrument, das im Observatorium Calor Alto auf 2100 Metern Höhe in Südspanien installiert wurde. Beobachtungen mit diesem Infrarot-Spektrographen zeigten, dass sich der kleine Stern regelmäßig auf uns zu und wieder weg bewegte – ein Phänomen, ausgelöst von einem Begleiter, der in diesem Fall besonders massereich sein musste. Die Arbeit aller Beteiligten ist nun in der renommierten Fachzeitschrift Science veröffentlicht worden.

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Instituts für Astrophysik der Universität Göttingen waren für die Kalibration der Daten verantwortlich. Zudem analysierten sie die enorme Menge an komplexen Daten, die täglich von der Sternwarte gesendet wurden. Um die Planeten zu entdecken, verwendeten die Astronomen die Doppler-Technik, mit der die Hin- und Herbewegung eines Sterns aufgezeichnet wird, wenn er von einem oder mehreren Planeten umkreist wird. Das Signal des Sterns war in diesem Fall so schwach, dass er fast nicht wahrgenommen wurde. Nachdem die Daten jedoch analysiert wurden, war klar, dass ihr Verhalten auf etwas sehr Interessantes hindeutet. Die Geschwindigkeit des Sterns änderte sich sehr schnell und konstant. Dies weist auf die Anwesenheit von mindestens einem massiven Begleiter hin. Darüber hinaus deutet die unregelmäßige Umlaufbahn des neu entdeckten Planeten auf die Möglichkeit einer früheren Kollision mit einem anderen Planeten hin, der jetzt vielleicht ohne seinen Stern in der Galaxie unterwegs ist.

“Unser Modell zur Entstehung und Entwicklung von Planeten sagt voraus, dass bei kleinen Sternen eine große Zahl von kleinen Planeten gebildet wird”, sagt der Schweizer Forscher Mordasini. Um Sterne wie GJ 3512 sollte es jedoch “gar keine Riesenplaneten geben”. Eine neben der oben erwähnten Kollisionstheorie mögliche Erklärung für das Versagen der gängigen Theorie könnte der Mechanismus sein, der dem Modell zugrunde liegt, die sogenannte Kernakkretion. Dabei entstehen Planeten, indem sie schrittweise durch Ansammlung von kleinen Körpern zu immer größeren Massen wachsen. Vielleicht, so die Universität Bern in einer Presseaussendung, ist der Riesenplanet GJ 3512b aber durch einen fundamental anderen Mechanismus gebildet worden: einen sogenannten gravitativen Kollaps. “Dabei kollabiert ein Teil der Gasscheibe, in der die Planeten entstehen, direkt unter seiner eigenen Schwerkraft”, erklärt Mordasini. Doch auch dieser Erklärungsansatz habe Probleme. “Wieso ist in diesem Fall der Planet nicht noch weiter angewachsen und noch näher zum Stern gewandert? Beides würde man erwarten, wenn die Gasscheibe genug Masse hat, damit sie unter ihrer Gravitation instabil werden kann”, sagt der Experte und meint: “Der Planet GJ 3512b stellt also eine wichtige Entdeckung dar, die unser Verständnis, wie Planeten um solche Sterne entstehen, verbessern sollte.”

Künstlerische Darstellung eines blauen Riesenplaneten im Orbit eines Roten Zwergs (Bild: CARMENES/RENDERAREA/J. BOLLAÍN/C. GALLEGO)
Vergleich von GJ 3512 mit dem Sonnensystem und anderen nahegelegenen Rot-Zwerg-Planetensystemen. (Bild: Guillem Anglada-Escude – IEEC, using SpaceEngine.org)
Vergleich der synthetischen Planetenpopulation vorausgesagt vom Berner Modell mit Trappist 1 und GJ 3512b. Trappist 1 steht im Einklang mit dem Modell, GJ 3512b hingegen ist viel massereicher als die Voraussagen des Modells. (Universität Bern, Graphik: Christoph Mordasini)
Kuppel des 3,5-Meter-Teleskops am Calar Alto Observatorium, wo der CARMENES-Spektrograph installiert ist. (Bild: Pedro Amado/Marco Azzaro – IAA/CSIC)

 

[Basierend auf Presseinformationen der Universität Göttingen und der Universät Bern]

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BrandonQMorris
  • BrandonQMorris
  • Brandon Q. Morris, 54, ist Physiker und beschäftigt sich beruflich und privat schon lange mit den spannenden Phänomenen des Alls. So ist er für den redaktionellen Teil eines Weltraum-Magazins verantwortlich und hat mehrere populärwissenschaftliche Bücher über Weltraum-Themen geschrieben. Er wäre gern Astronaut geworden, musste aber aus verschiedenen Gründen auf der Erde bleiben. Ihn fasziniert besonders das „was wäre, wenn“. Sein Ehrgeiz ist es deshalb, spannende Science-Fiction-Geschichten zu erzählen, die genau so passieren könnten – und vielleicht auch irgendwann Realität werden.