Ein Radioblick in den Hinterhof eines Schwarzen Lochs

Schwarze Löcher selbst bleiben der Beobachtung definitionsgemäß verschlossen. Aber Astronomen ist es gelungen, sich die Einflusssphäre eines Schwarzen Lochs genauer anzusehen – den Bereich, in dem seine Gravitation die dominierende Kraft ist. Im Fall eines superschweren Schwarzen Lochs im Inneren von Galaxien kann dieser Bereich bis zu 500 Lichtjahre groß werden. Der nächste Stern ist von der Sonne gut vier Lichtjahre entfernt.

Bewerkstelligt hat diesen Blick das Atacama Large Millimeter/submillimeter Array (ALMA) in der chilenischen Atacama-Wüste. NGC 3258, eine riesige Elliptische Galaxie etwa 100 Millionen Lichtjahre von der Erde entfernt, war das Beobachtungsobjekt. Diese Galaxie gehört zu den etwa zehn Prozent der Galaxien, deren Kern von einer rotierenden Wolke aus kaltem (nicht ionisiertem) Gas umgeben ist. Diese Wolken enthalten unter anderem Kohlenmonoxid (CO), das sich im Submillimeterbereich beobachten lässt, ALMAs namensgebender Spezialität.

Die Astronomen erfassen dabei die Doppler-Verschiebung der Emissionslinien des Kohlenmonoxids. Den Dopplereffekt kennen sie von Autos, die sich schnell nähern und wieder entfernen. ALMA kann dadurch messen, welche Teile der Wolke sich wie schnell auf uns zu oder von uns weg bewegen, wie schnell die Wolke also rotiert. An der 500 Lichtjahre vom Zentrum entfernten Außenseite bewegt sich das Material der Wolke dementsprechend mit etwa 1 Million Kilometer pro Stunde, an der Innenseite, 65 Lichtjahre vom Schwarzen Loch entfernt, aber schon dreimal so schnell. Diese Rotationsgeschwindigkeit hängt von der Entfernung zum Schwarzen Loch ab – und von dessen Masse. So konnten die Forscher die Masse des Schwarzen Lochs im Kern von NGC 3258 zu 2,25 Milliarden Sonnenmassen bestimmen.

Der Wert besitzt eine Genauigkeit von 99 Prozent. Allerdings ist eine systematische Abweichung von 12 Prozent möglich, weil man die wahre Entfernung von NGC 3258 nicht ganz genau kennt. Selbst diese Unsicherheit eingeschlossen, handelt es sich um die bisher genaueste Bestimmung der Masse eines Schwarzen Lochs außerhalb der Milchstraße.

Ein Blick in das Herz der Galaxie NGC 3258. Links das Hubble-Foto, rechts die ALMA-Daten. Die vielfarbige Ellipse zeigt die Bewegung von Gas und Staub; der blaue Anteil bewegt sich auf uns zu, der rote von uns weg. Je intensiver die Farbe, desto schneller die Bewegung. Daraus lässt sich die Masse des Schwarzen Lochs ausrechnen – 2,25 Milliarden Sonnenmassen.
Bild: ALMA (ESO/NAOJ/NRAO), B. Boizelle; NRAO/AUI/NSF, S. Dagnello; Hubble Space Telescope (NASA/ESA); Carnegie-Irvine Galaxy Survey
Künstlerische Darstellung einer um ein Schwarzes Loch rotierenden Materiescheibe (Bild: NRAO/AUI/NSF)

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BrandonQMorris
  • BrandonQMorris
  • Brandon Q. Morris, 54, ist Physiker und beschäftigt sich beruflich und privat schon lange mit den spannenden Phänomenen des Alls. So ist er für den redaktionellen Teil eines Weltraum-Magazins verantwortlich und hat mehrere populärwissenschaftliche Bücher über Weltraum-Themen geschrieben. Er wäre gern Astronaut geworden, musste aber aus verschiedenen Gründen auf der Erde bleiben. Ihn fasziniert besonders das „was wäre, wenn“. Sein Ehrgeiz ist es deshalb, spannende Science-Fiction-Geschichten zu erzählen, die genau so passieren könnten – und vielleicht auch irgendwann Realität werden.