Wie schnell expandiert das Universum?

Seit dem Urknall vor 13,8 Milliarden Jahren strebt das Universum auseinander. Die entscheidende Frage ist: wie schnell? Den Wert nennt man auch Hubble-Konstante – nach Edwin Hubble. dem die Expansion des Weltalls zuerst auffiel.

Die Astronomen haben zwei Wege gefunden, um diese Konstante zu bestimmen. Weg 1 beruht auf den Messungen des Planck-Satelliten der ESA. Dieser hat die genaue Struktur der kosmischen Hintergrundstrahlung gemessen, die 380.000 Jahre nach dem Urknall entstand. Daraus lässt sich dann – unter Anwendung der Gesetze der Physik – auf das Expansionstempo extrapolieren. So berechnet liegt die Hubble-Konstante bei 67,0 Kilometern pro Sekunde pro Megaparsec. Das heißt, nach jedem Megaparsec Abstand entfernen sich alle Sterne um 67 Kilometer pro Sekunde schneller von uns.

Der zweite Weg, die Hubble-Konstante zu messen, beruht auf der Entfernungsmessung von Cepheiden. Das sind veränderliche Sterne, die in einem bestimmten Rhythmus pulsieren. Aus dem Rhythmus kann man ihre wahre Leuchtkraft berechnen. Misst man nun ihre Helligkeit am Himmel, weiß man, wie weit sie von uns entfernt sind. Jetzt braucht man die Entfernung bloß noch in Relation zur Rotverschiebung des Lichts des Sterns oder seiner Galaxie zu setzen (die Rotverschiebung ist ein Maß für die Expansionsgeschwindigkeit), und man bekommt die Hubble-Konstante.

Forscher haben diese Skala jetzt so weit verbessert, dass der Fehlergrenze bei nur noch 2,2 Prozent liegt. Dazu haben sie Entfernungs-Messdaten des Gaia-Teleskops der ESA mit Hubble-Messwerten kombiniert, und zwar zunächst einmal für 50 Cepheiden. Bis Anfang der 2020er-Jahre wollen sie den Wert durch Einbeziehung weiterer Veränderlicher sogar auf ein Prozent Genauigkeit kennen.

Das Problem: So gemessen, liegt die Hubble-Konstante bei 73,5 Kilometern pro Sekunde. Das sind mehr als sieben Prozent Differenz zum Planck-Wert. Das muss aber nicht bedeuten, dass einer der Werte falsch wäre. Planck hat die Hubble-Konstante in der Frühzeit des Universums gemessen. Hubble und Gaia fühlen dem All viel später den Puls. Es könnte also sein, dass sich seitdem etwas verändert hat.

Was könnte das sein?

  • Die Interaktionsstärke der Dunklen Materie könnte sich verändert haben.
  • Die Dunkle Energie verhält sich noch seltsamer als bisher vermutet.
  • Es gibt weitere, bisher unbekannte Teilchenarten im Kosmos.

All das würde bedeuten, dass die Physiker die schon lange gesuchten Hinweise auf eine Erweiterung des Standard-Modells bekämen.

Aber vielleicht lässt sich der Konflikt auch anders lösen. Ein anderes Forscherteam schlägt nämlich einen dritten Weg zur Entfernungsmessung vor – mit Hilfe von Gravitationswellen. Bei einer ersten derartigen Messung mit einer einzigen Quelle haben sie die Hubble-Konstante bereits mit einer Genauigkeit von 14 Prozent bestimmt. Dieser Wert sollte sich mit weiteren Messungen jedoch deutlich verbessern lassen.

Die Weltraumteleskope NASA und Gaia suchen nach “Standard-Kerzen” im All und bestimmen deren Entfernung (Bild: NASA, ESA, and A. Feild (STScI))

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BrandonQMorris
  • BrandonQMorris
  • Brandon Q. Morris, 54, ist Physiker und beschäftigt sich beruflich und privat schon lange mit den spannenden Phänomenen des Alls. So ist er für den redaktionellen Teil eines Weltraum-Magazins verantwortlich und hat mehrere populärwissenschaftliche Bücher über Weltraum-Themen geschrieben. Er wäre gern Astronaut geworden, musste aber aus verschiedenen Gründen auf der Erde bleiben. Ihn fasziniert besonders das „was wäre, wenn“. Sein Ehrgeiz ist es deshalb, spannende Science-Fiction-Geschichten zu erzählen, die genau so passieren könnten – und vielleicht auch irgendwann Realität werden.