Wie der Eismond Enceladus zu seinen Tiger-Streifen kam
Saturns Eismond Enceladus ist eine der vielversprechendsten Welten, wenn es um die Suche nach außerirdischen Lebensräumen geht. Das wissen Sie als Leser der Eismond-Bücher natürlich längst. In der Nähe seines Südpols gibt es tiefe Spalten in seiner Kruste, durch die ständig Wasser nach außen dringt. Das ermöglicht den Forschern einen Blick unter das bis zu 100 Kilometer dicke Eis, ohne hindurchbohren zu müssen. Eine neue Studie soll nun das ungewöhnliche Aussehen dieser Sulci erklären, die auch “Tiger Stripes” genannt werden.
“Diese zuerst von der Cassini-Mission entdeckten Streifen sind mit keiner anderen Struktur im Sonnensystem vergleichbar”, sagt Doug Hemingway, Hauptautor des Beitrags in Nature Astronomy. “Sie verlaufen parallel und in gleichmäßigen Abständen zueinander und sind jeweils etwa 130 Kilometer lang und 35 Kilometer voneinander getrennt. Und aus ihnen dringt ständig Wassereis. Das gibt es bei keinem anderen Planeten oder Mond.”
Gemeinsam mit Max Rudolph von der University of California und Michael Manga von der UC Berkeley hat Hemingway deshalb Modelle aufgestellt, die die auf Enceladus wirkenden physikalischen Kräfte beschreiben. Warum bleiben sie an Ort und Stelle, und warum bilden sie sich nur am Südpol des Mondes, aber nicht an seinem Nordpol? Das in Nature Astronomy beschriebene Ergebnis ist überraschend: Es war Zufall. Die Streifen hätten an jedem der beiden Pole enstehen können. Am Südpol ist das Eis eher aufgeplatzt, deshalb ist es dabei geblieben.
Enceladus wird durch seinen exzentrischen Orbit innerlich aufgeheizt. Der gigantische Saturn quetscht ihn und zerrt an ihm, sodass sich sein Inneres nie komplett abkühlt und einfriert. Am stärksten sind diese Kräfte an den Polen, also ist es dort auch am wärmsten. Dort ist deshalb natürlich auch das Eis am dünnsten. Kühlt sich Enceladus dann wieder etwas ab, gefriert ein Teil des Wassers zu Eis, dehnt sich aus und es kommt zu Brüchen. Dort, wo das Eis am dünnsten ist, passiert das am schnellsten.
Den Modellen zufolge müsste sich der Baghdad Sulcus zuerst gebildet haben. Der Bruch fror nicht mehr zu. Immer mehr Wasser drang aus dem Ozean unter dem Eis nach oben. Dort gefror es wieder und belastete die dünne Eisschicht mit seiner Masse noch stärker – bis unter der zunehmenden Belastung der nächste Bruch entstand. So erklären sich, meinen die Forscher, die gleichmäßigen Abstände. Die Gravitation des Saturn trug zusätzlich dazu bei, die Spalten offen zu halten. Sie kratzt gewissermaßen immer wieder den Schorf über der frischen Wunde ab und lässt das Wasser weiter fließen.